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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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ist von ihm, oder?«
    Von ihm? Liz sah ihn an und verstand nicht.
    Â»Ist es von ihm ?«, zischte er.
    Gabriel. Er kennt Gabriel. Liz nickte. Sprechen ging nicht.
    Â»Ich wusste es.« Er kicherte mechanisch.
    Liz fühlte sich schutzloser denn je. Was weiß er noch alles? Wie lange verfolgt er mich schon?
    Seine Augen bohrten sich in ihre. Kalte braune Augen, mit einem gelblichen Flammenkranz in der Iris. »Mehr, als du ahnst«, wisperte er.
    Liz schauderte und sah rasch beiseite, als könnte sie ihm damit den Blick in ihr Innerstes verschließen.
    Jäh richtete er sich auf, zog die Nadel aus ihrem Unterschenkel und spritzte die Flüssigkeit in die Luft. »NaCl – besser bekannt als Salzwasserlösung.« Er lächelte, kalt und zugleich voller Inbrunst. »Ich will dir nicht weh tun. Unversehrt bist du am schönsten. Du hast diese helle empfindliche Haut, so glatt und …« Sein zweigeteiltes Gesicht glänzte plötzlich vor Erregung. Er trat einen Schritt zurück, wie um sich abzukühlen. »Einen Monat noch. Dann feiern wir unser Fest. Schlaf jetzt! Das ist gut für deinen Teint.«
    Keine Minute später war sie wieder alleine. Sie zog die Decke über sich und zitterte wie Espenlaub. Dann ging das Licht aus. Einen Monat noch. Und dann was?
    Seit diesem Moment hatte sie gezählt. Hell. Dunkel. Hell. Dunkel. Jetzt weiß sie, welcher Tag heute ist, vielmehr welche Nacht: Es ist die Nacht vom 15. auf den 16. September.
    Als etwa zwei Stunden zuvor das Neonlicht verloschen war, hatte sie sich am Schlauch des Venenkatheters emporgetastet, bis zum Rollverschluss der Infusion, den Zufluss ihrer Medikamente abgeklemmt und gewartet, ganz so, wie sie es die letzten fünf Nächte getan hatte.
    Etwa drei Stunden später ist es so weit. Die Wirkung der Medikamente hat nachgelassen.
    Sie richtet sich auf und schafft es direkt beim ersten Mal. Sehr gut. Vorsichtig klettert sie aus dem Bett, lässt sich auf dem kalten Fußboden nieder und tastet wieder nach der Infusion. Sie setzt die Spritze, die sie von Yvette bekommen hat, bedächtig an den Gummiverschluss der über Kopf hängenden Flasche, sticht die Nadel durch und zieht mit der leeren Spritze Flüssigkeit aus der Infusion ab. Sekunden später finden ihre Finger den Abfluss im Betonboden. Weg mit dem Gift. Es ist kein Plätschern, eher ein Flüstern, als die Flüssigkeit mit einem feinen Strahl in die Kanalisation schießt. Yvette wird nicht auffallen, dass die Infusion nicht in Liz’ Blutbahn, sondern im Abwasser gelandet ist.
    Sie wiederholt das Ganze mehrfach, bis die Infusion zu drei Vierteln leer ist, immer mit dem bangen Gedanken, dass die Nadel nicht steril bleiben kann bei dem, was sie da tut. Eine Infektion ist eigentlich nur eine Frage der Zeit.
    Dann beginnt sie zu trainieren. Einen Schritt nach dem anderen. Langsam, von Kellermauer zu Kellermauer, die Infusion mit dem Rollstativ in der einen Hand, so wie alte Leute, die eine Gehhilfe brauchen, den Blasenkatheter in der anderen Hand.
    Liz’ Beine sind wie Pudding. Sie vermutet, dass die Infusion sie nicht nur mit Medikamenten versorgt, sondern auch mit flüssiger Nahrung. Doch wenn sie wählen muss zwischen Nahrung oder einem klaren Kopf, dann fällt ihr die Wahl nicht schwer.
    Sie berührt die Wand vor sich, wendet und geht wieder in die andere Richtung. Schritt für Schritt. Bitte mach, dass er nie auf die Idee kommt, nachts hier aufzutauchen.
    Noch zwei Schritte bis zur Wand.
    Warum fesselt er mich nicht? Warum riskiert er, dass ich hier rumlaufen kann?
    Wenden und wieder zurück.
    Er ist sich seiner Sache sicher. Verdammt sicher.
    Sie zwingt sich, langsamer zu gehen, um nicht zu stürzen.
    Ãœberschätzt er sich? Oder überschätze ich mich?
    Die Anstrengung lässt sie schwitzen.
    Was weiß er alles über mich? Und was will er von mir? Warum hat er gefragt, ob das Baby von Gabriel ist?

Kapitel 30
    Berlin – 15. September, 23:37 Uhr
    Gabriel späht durch die getönten Scheiben im Fond des Chrysler Voyager hinüber auf die andere Straßenseite und nippt an seinem kalten Kaffee.
    Nichts.
    Fünf Tage sind inzwischen vergangen, seit er Verena Schusters Leiche gefunden hat. Fünf weitere Tage ohne ein Lebenszeichen von Liz oder ein Wort des Entführers. Das Einzige, woran er sich in dieser Zeit hat festhalten können, war die Suche nach Jonas.
    Den dunkelblauen Chrysler Van

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