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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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ihm ertönt.
    Jonas reißt den Kopf herum. Wie ein Ungeheuer bricht der Vierzigtonner aus der Unterführung und schießt auf die Kreuzung. Der Mercedesstern ist so groß wie Jonas’ Kopf und zielt direkt auf seinen Brustkorb. Jonas sperrt entsetzt den Mund auf, es sieht grotesk aus, beinah, als hoffte er, den Lastwagen noch im letzten Augenblick verschlingen zu können. Für einen Schrei ist es zu spät. Der Aufprall klingt nach Plastik, wie ein Tritt gegen eine Mülltonne.
    Gabriel stoppt mitten in der Bewegung, erstarrt. Aus wenigen Metern Entfernung sieht er, wie Jonas in einem grotesken Flug durch die Luft geschleudert wird, eine Puppe aus Stroh, ohne eigenes Gewicht, um in der nächsten Sekunde schon unter den vollbeladenen Sattelzug zu geraten. Die Zugmaschine zittert kurz, kaum mehr als ein Bulldozer, der eine Ratte überfährt.
    Erst hundert Meter weiter kommt der Lastwagen pfeifend zum Stehen.

Kapitel 31
    Berlin – 16. September, 21:16 Uhr
    David spült eilig die Zahnpastaschlieren in den Abfluss und mustert sein Spiegelbild. Müde grüne Augen mit schattigen Ringen. Prüfend reibt er mit der flachen Hand über seinen Dreitagebart, der eher nach sechs Tagen aussieht.
    Der Fernseher tönt durch die offene Badezimmertür – Werbung für die Rasur von Frauenbeinen. Er denkt an Shona, mit der er verabredet ist und die er seit zwei Wochen nicht mehr gesehen hat. Ein Job hatte sie wieder mal überfallartig in Beschlag genommen. David war das nicht unrecht, denn als Gabriel plötzlich auftauchte, war er in ein tiefes Loch gefallen. Als die Polizei auch noch in Shonas Anwesenheit bei ihm vor der Tür gestanden hatte und ihm erklärte, dass sein Bruder wegen Mordverdacht, Flucht aus der Untersuchungshaft und bewaffneter Geiselnahme gesucht wurde, da hatte er endgültig das Gefühl, den Boden unter den Füßen verloren zu haben.
    Er kramt seinen Elektrorasierer aus der Schublade hervor. Das Gerät gibt nur ein müdes Jaulen von sich. Leise fluchend öffnet er die Schublade und fahndet nach dem Stromkabel, dabei schielt er nach der Zeit. 21:17 Uhr.
    Shonas Anruf hatte ihm wenigstens noch etwas Luft verschafft. »Entschuldige bitte …« Ihre Stimme klang genervt. »Ich hänge noch im Job. Die übliche Nummer. Mieses Briefing, und jetzt muss alles anders. Aus blau wird grün und aus rund eckig … Vor halb zehn schaff ich’s leider nicht.«
    Â»Bist du denn sicher, dass du halb zehn schaffst?«
    Â»Wenn nicht, dann schütte ich ’ne Cola über die Tastatur. Halb zehn, im Santa Media.«
    Irgendwie ist ihm die Zeit davongelaufen. David klaubt zwei alte, zusammengeknüllte Papiertaschentücher aus der Schublade, wirft sie in die Kloschüssel und knallt die Schublade zu. Aus dem Fernseher schallt Applaus.
    Dann schnarrt die Türklingel. Shona? Sein Blick streift die Uhr. Zwanzig nach neun. David runzelt die Stirn. Eigentlich sind sie im Santa Media verabredet, von abholen war nicht die Rede gewesen. Die Frau ist unberechenbar! Er grinst, streift im Gehen sein Hemd über und versucht, es eilig zuzuknöpfen, aber im Flur ist kein Licht an. Sein Finger presst automatisch die Taste für die Sprechanlage. »Hi. Komm eben rauf, bin gleich fertig.« Gleichzeitig drückt er mit dem Summer die Haustür im Erdgeschoss auf, öffnet vorsorglich auch schon die Wohnungstür – und fährt erschrocken zusammen.
    Im Türrahmen steht ein blasser schmaler Mann mit schütterem grauem Haar und einer Buchhalterbrille. »Guten Abend, David«, sagt der Mann. Sein Gesicht liegt im Halbdunkel, die Hausflurbeleuchtung gibt ihm eine seltsame Aura. Für einen Moment glaubt David, einen Polizisten, vielleicht einen Kommissar, vor sich zu haben. Aber weisen sich die nicht immer aus?
    Â»Kennen wir uns?«
    Â»Nein. Aber wir haben einen gemeinsamen Bekannten. Ihren Bruder. Ist er da?«
    Â»Nein. Bedaure. Wir haben nicht das beste Verhältnis.«
    Der Mann hebt die fast haarlosen Augenbrauen.
    David mustert die schmale Gestalt. Er muss um die sechzig sein. Seine Hände stecken in den Taschen eines kurzen hellgrauen Trenchcoats, und in der rechten Tasche zeichnet sich ein unverkennbares Muster ab: der Lauf einer Waffe.
    Davids Herz setzt für einen Moment aus. Der Mann scheint seine Gedanken zu erraten. Er zieht die Hände aus den Manteltaschen, ohne die Waffe, und zeigt David die

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