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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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kann.«
    Â»Oh, Sie können. Sie müssen es nur wollen. Aber sagen Sie ihm nicht, dass ich bei Ihnen war. Sagen Sie ihm nicht, was ich Ihnen anvertraut habe. Er würde es ohnehin leugnen. Er vertraut niemandem. Das wissen Sie doch am besten.«
    Â»Ich … ich weiß gar nicht, ob er sich überhaupt noch einmal bei mir meldet. Ich glaube, er hat gerade ganz andere Sorgen.«
    Â»Weil er aus dem Gefängnis ausgebrochen ist? Glauben Sie mir, gerade dann braucht man Freunde und Verwandte. Er wird sich melden. Früher oder später.«
    Â»Was haben Sie vor«, fragt David, »wenn Sie wissen, wo er ist?«
    Der Mann zuckt mit den Achseln und sieht David aus unergründlichen Augen an.
    Â»Ich will ihn nur finden. Und ich will das zurück, was mir gehört. Das ist alles.« Der Mann steht auf, erstaunlich behände für sein Alter, und lässt eine Visitenkarte auf das graue Stoffsofa fallen. Auf dem dünnen weißen Karton steht eine Telefonnummer, sonst nichts.
    Â»Fragen Sie nach Yuri«, sagt er. Ohne sich noch einmal umzusehen, verschwindet er im Flur. Die blau gestrichene Wand wirft einen farbigen Schimmer auf seinen tristen Mantel.
    Dann schlägt die Tür zu, und es herrscht Stille.

Kapitel 32
    Berlin – 18. September, 16:34 Uhr
    Gabriel legt die Berliner Zeitung beiseite und gießt den letzten Rest des Kaffees ins Waschbecken. Die eingekochte schwarze Brühe, die der Rezeptionist des Caesars zu Filterkaffee erklärt hat, schmeckt elend bitter. Trotz des Koffeins lähmt ihn eine bleierne Müdigkeit, als hätte die Schwerkraft sich verdreifacht.
    Das beharrliche Summen einer Fliege, die sich zwischen Fenster und Gardine seines Zimmers verfangen hat, zerrt an seinen Nerven. Es erinnert ihn an das Schwirren der Fliegen über Verena Schuster und an den süßlichen Gestank.
    Am Vortag ist ihre bereits stark verweste Leiche von der Polizei gefunden worden. Kurz zuvor hatte man die Leiche eines unbekannten jungen Mannes, der ein paar Tage vorher unter einen 40-Tonner geraten war, als Jonas Schuster identifiziert. Die Beamten wollten seine Mutter informieren und fanden ihren Leichnam aufgebahrt auf dem Küchentisch in ihrer Wohnung. Die BZ zitierte den Polizeisprecher, der erklärte, dies sei »eine der abscheulichsten Taten der jüngeren Berliner Verbrechensgeschichte«.
    Gabriel stellt die leere Tasse auf den zerkratzten quadratischen Tisch, dreht die Zeitung zu einer harten Papierrolle und schiebt lautlos die Gardine beiseite. Die Herbstsonne strahlt lieblich ins Zimmer, orangerosa, als hätte es die letzten Tage nicht gegeben.
    Mit einer raschen Bewegung aus dem Handgelenk drischt Gabriel mit der BZ nach der Fliege. Das Summen endet abrupt, und auf der Fensterbank landet ein in sich verkrümmtes schwarzes Klümpchen.
    Gabriel legt sich wieder aufs Bett und sinkt tief in die durchgelegene Matratze ein. Seine rechte Schulter schmerzt seit dem Tritt von Jonas wieder stärker, seine Augen brennen vor Müdigkeit und wegen der staubigen Luft.
    Seit Jonas Schuster von dem Sattelzug überrollt wurde, ist die Zeit quälend langsam vergangen und zugleich rasend schnell.
    Immerhin hat er jetzt eine Beschreibung von Liz’ Entführer: weiß, etwa fünfzig Jahre alt, blonde Haare, mit einer entstellten rechten Gesichtshälfte und einer Hand- oder Armprothese – also ein Mann, der sich nur schwer verstecken kann, zumindest dann, wenn man weiß, wo man nach ihm suchen muss.
    Aber mit Jonas’ Tod hat Gabriel die einzige Chance verloren, Liz’ Entführer zu ködern. Was ihm jetzt noch bleibt, ist, in seinen verlorenen Erinnerungen zu wühlen, in den hintersten, dunkelsten Ecken seines Gehirns, in der Hoffnung, irgendetwas zu finden, was ihn mit diesem Mann verbindet.
    Seit drei Tagen zermartert er sich nun das Hirn, schläft wenig bis gar nicht, und wenn ihm doch die Augen zufallen, dann ist es ein unruhiger, erschöpfender Schlaf, durchsetzt von wirren Alpträumen, die mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten.
    Gabriel starrt wieder an die Decke, doch sosehr er sich anstrengt, der 13. Oktober ist und bleibt ein blinder Fleck.
    Hör auf mit dem Irrsinn, Luke.
    Das kann ich nicht. Nicht mehr.
    Es lohnt sich nicht. Sieh dich doch an. Weißt du, gegen wen du da kämpfst?
    Erspar mir das.
    Was soll ich denn sagen? Ich hänge doch dran, an deinem Wahnsinn. Mach dich endlich frei. Sie ist ein

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