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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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gearbeitet.«
    Â»Was soll das heißen«, fragt David, obwohl er bereits ahnt, was damit gemeint ist. »Haben Sie ihn rausgeschmissen?«
    Â»Gewissermaßen.«
    Â»Nur damit ich das richtig verstehe, erst schmeißen Sie ihn raus, und jetzt suchen Sie ihn?«
    Â»Sagen wir einfach, es haben sich ein paar Dinge verändert. Jedenfalls muss ich ihn finden.«
    Â»Und warum?«
    Der Mann zögert einen Moment. »Er hat etwas gestohlen, etwas sehr Wichtiges. Ich muss es zurückhaben.«
    David schweigt einen Moment, dann seufzt er, dreht sich um und geht in die offene Küche, hinter den Tresen, und stützt sich schwer darauf, als suche er Halt.
    Â»Also«, sagt der Mann. »Helfen Sie mir, dann helfe ich Ihnen.«
    David atmet tief durch. »Ich befürchte, Sie müssen ihn schon selbst finden. Ich kann Ihnen nicht helfen.«
    Die Augen des Mannes weiten sich in gespieltem Erstaunen. »Ist das Ihr Ernst?«
    Â»Er ist mein Bruder«, sagt David. »Haben Sie einen Bruder?«
    Der Mann sieht ihn an. Zum ersten Mal wirkt er, als hätte er den Faden verloren. Dann seufzt er. »Das habe ich befürchtet. Sie vertrauen Gabriel.«
    Â»Er ist mein Bruder«, beharrt David.
    Â»Warum belügt er Sie dann?«
    Â»Er … er ist …« David stockt.
    Â»Oder finden Sie, dass Schweigen keine Lüge ist?«
    David starrt den Mann prüfend an. »Woher wollen Sie wissen, was damals passiert ist?«, flüstert er.
    Â»Sagen Sie mir, wo ich Ihren Bruder finde, dann erfahren Sie es.«
    Â»Ich glaube Ihnen kein Wort.«
    Â»Es ist ganz einfach«, erklärt der Mann. Seine grauen Augen sind wie Kieselsteine, hart, glatt und leblos. »Sie geben mir eine kleine Information, und ich beantworte Ihnen dafür die drängendste Frage Ihres Lebens.«
    Â»Sie lügen«, sagt David und muss schlucken. »Es war niemand da, der etwas gesehen haben kann, außer Gabriel … und dem, der geschossen hat …«
    Der Mann lächelt und nickt.
    David hat plötzlich das Gefühl, auf eine schiefe Ebene gelaufen zu sein und aus dem Gleichgewicht zu geraten.
    Â»Es gibt eine Menge Material«, sagt der Mann. »Viel mehr, als Sie denken. Die Akte, psychiatrische Gutachten, Protokolle von Therapiesitzungen. Eine wahre Fundgrube, was Gabriels Träume und Alpträume angeht – und sein Unterbewusstes.«
    David wird schwindelig, und er muss für einen Moment die Augen schließen. »Selbst wenn ich wollte«, murmelt er schließlich, »ich weiß nicht, wo er ist.«
    Â»Wissen Sie eigentlich, wen Sie da schützen?«
    Â»Wie meinen Sie das?«
    Â»Glauben Sie Ihrem Bruder? Ich meine, vertrauen Sie ihm?«
    David weicht dem Blick seines Gegenübers aus und fährt sich mit der Hand übers Gesicht.
    Â»Derjenige, der Ihren Vater erschossen hat …«, sagt der Mann langsam und betont dabei jede einzelne Silbe, »… das war Ihr Bruder.«
    Davids Herzschlag setzt aus.
    Stille. Kein Atem, kein Herzschlag, noch nicht einmal ein Gedanke.
    Dann beginnt sein Herz, wieder zu arbeiten, stolpert, hämmert. »Das ist … Das kann nicht sein.«
    Â»Was kann nicht sein?«, schnaubt der Mann. »Dass ein Elfjähriger seinen Vater erschießt?«
    Â»Ich glaube Ihnen kein Wort.«
    Â»Sehen Sie sich Ihren Bruder an. Was glauben Sie, warum er ist, wie er ist?«
    Â»Er hat seine Eltern verloren. Reicht das nicht?«
    Â» Sie haben auch Ihre Eltern verloren …« Der Blick des Mannes bohrt sich in Davids Augen. »Trotzdem sind Sie ein normaler Mensch. Friedfertig, besonnen … ganz anders als Gabriel …«
    David spürt, wie sich unter ihm der Boden auftut. Gabriels Prügeleien im Elisabethstift, die Attacke auf den Direktor von Falkenhorst, die Drogenexzesse, die Geschlossene – der ganze Irrsinn. Plötzlich scheint alles zu passen. »Beweisen Sie es«, sagt David leise.
    Â»Sagen Sie mir, wo ich Ihren Bruder finde. Dann bekommen Sie die Akte – und Ihren Beweis.«
    David wird kalt bis ins Mark. Er muss husten, Magensäure steigt die Speiseröhre empor, und ein säuerlicher Geschmack breitet sich im Mund aus. Die Frage kommt, ohne dass er etwas dagegen tun kann. »Und – hat er auch meine Mutter …?«
    Â»Haben wir einen Deal?«
    Â»Ich weiß nicht«, murmelt David tonlos, »ob ich das tun

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