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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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eigenen Spiegelung in der Thermopenscheibe. Irritiert sieht er auf den dunklen Fleck unter seinem Auge und tastet mit dem Finger danach. An der Fingerspitze bleibt etwas Blut haften.
    Er starrt durch sich hindurch in die Dunkelheit, und es ist, als ob sie ihn aufsaugt. Jegliches Zeitgefühl geht ihm verloren. Das Büro um ihn herum verschwimmt, ebenso wie alles andere. Die Spiegelung des leuchtenden Computerscreens hinter ihm ist eine helle Insel in der dunklen aufgewühlten See, seine Insel. Er wünscht sich, dahin zurückzukönnen. Sich einfach an den Tisch setzen zu können und zu schreiben. Im Grunde genommen ist alles so einfach hier. Viel, viel einfacher als im wirklichen Leben.
    Als er das nächste Mal auf die Uhr sieht, ist es schon fast halb zehn.
    Wie elektrisiert springt er auf, wirft sich seine Bellstaff-Jacke über und stürzt aus dem Büro. Zwei Minuten später ist er im Parkhaus und weiß, dass er so oder so zu spät kommen wird. Er startet den Motor des dunkelgrünen Saab 900, den ihm Weixler geliehen hat, zumindest für die eine Woche, die er in England ist.
    Als der Saab aus dem Parkhaus schießt, erwischt ihn der Regen wie aus tausend Eimern. Fuß vom Gas!
    Vier Minuten später biegt er, ohne zu blinken, auf den Kurfürstendamm ein und wählt gleichzeitig seine Mobilbox an. Mist, verfluchter. Der Jaguar hatte wenigstens eine Freisprecheinrichtung. Er drückt den BlackBerry ans Ohr, lässt das Lenkrad los und schaltet vom zweiten in den dritten Gang. Und Automatik, denkt er, die hatte der Jaguar auch.
    Beep. »Hi. Ich bin’s, Shona. Hmm. Mailbox, also. Gut. Nächste Woche geht bei mir nicht, ich muss arbeiten. Meld dich. Du bist dran.«
    Mist. Sie ist immer noch sauer, weil er sie im Santa Media versetzt hat. Er weiß, dass er sie anrufen muss, um ihr alles zu erklären, und wenn schon nicht alles, dann zumindest so viel, dass es nach einer brauchbaren Entschuldigung klingt. Sein Blick fällt auf den Scheibenwischer, der unter den Wassermassen ächzt. Die Ampel vor ihm springt auf Rot, Bremslichter glühen auf. Bremsen, Kupplung, Leerlauf.
    Der Regen trommelt auf das Blechdach des Saab, und er drückt das Handy dichter ans Ohr.
    Beep. »Guten Tag, Herr Naumann. Säckler hier, Deutsche Bank. Bitte rufen Sie mich zurück. Es ist dringend.«
    Verdammte Hyäne! Noch ein paar Wochen Galgenfrist, und dann wird auch noch die Gehaltszahlung von TV 2 ausbleiben.
    Beep. »Sie haben keine weiteren Nachrichten.«
    Ein lautes Hupen hinter ihm lässt ihn zusammenzucken. Die Ampel ist grün, und die Wagen vor ihm sind längst auf der anderen Seite der Kreuzung. David betätigt die Kupplung, der Gang fügt sich knirschend, dann tritt er das Gaspedal und brettert weiter den Ku’damm hinunter, bis er endlich die Bushaltestelle gegenüber von Sis&Broth erreicht. Er schert nach rechts ein und setzt zurück, hart ans Ende der Haltestelle. Als er steht, sieht er auf das Armaturenbrett. 21:43 Uhr, eine Viertelstunde zu spät.
    Der Regen drischt auf die Windschutzscheibe, die Wischblätter arbeiten nutzlos dagegen an. Wo zum Henker kommt nur das ganze Wasser her? Plötzlich muss er lachen, obwohl ihm nach nichts weniger zumute ist. Endloser Regen und ein überforderter Scheibenwischer – ein besseres Bild als das gibt es für sein momentanes Leben nicht.
    Er schaltet den Motor des Saab aus und lehnt sich in den abgeschrammten beigen Ledersitz zurück. Mit einem heftigen Ruck wird plötzlich die Beifahrertür aufgerissen. David fährt zusammen.
    Mit dem Hintern voran lässt sich ein Mann mit einem dunklen Hut auf den Sitz neben ihm fallen, zieht die Beine in den Wagen und schlägt die Tür zu.
    Â»Guten Abend, David.« Von Yuri Sarkovs Hutkrempe laufen Wasserfäden. »Sie sind spät dran.«
    Â»Entschuldigung«, murmelt David, »das Wetter.«
    Seelenruhig nimmt Sarkov seine Brille ab und wischt einige Tropfen von den Gläsern. »Wie geht es Ihnen?«
    Â»Haben Sie den Umschlag?«, fragt David ohne Umschweife.
    Â»Also offenbar nicht gut«, stellt Sarkov fest.
    Â»Na ja«, murmelt David. »Die Bank will meine Wohnung versteigern, mein Arbeitgeber hat mich gefeuert, und für ein Format, das ich geschrieben habe, kassieren inzwischen andere Leute die Lizenzgebühren … und ganz nebenbei eröffnen Sie mir, dass mein Bruder meine Eltern umgebracht hat. Und

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