Schnittmuster

normalerweise auch nicht während der Dienstzeit anrufen, aber Naomi ist eben nach Hause gekommen und … na ja, ich dachte, ich sollte Ihnen das sagen. Wissen Sie, wo Ihre Tochter ist?«
    Striker dachte an die beiden Cops, die sein Haus bewachten. »Sie ist zu Hause. Wieso?«
    Joyce räusperte sich. Ȁh … Naomi kam eben von der Mall zurück. Sie meint, dass sie Courtney vor nicht mal einer halben Stunde am Skytrain-Terminal gesehen hat. Sie war als Rotkäppchen verkleidet und auf dem Weg zu der Parade of Lost Souls. Naomi sagt, sie sei sehr betrunken gewesen.«
    Der Detective machte eine inhaltsschwere Pause. »Ich dachte, die Parade wäre abgesagt worden wegen des Amoklaufs in der Schule.«
    Â»Was Sie sagen, stimmt«, räumte Joyce ein. »Sie findet jetzt aber doch statt, zur Erinnerung an die Opfer der Schießerei – als eine Art Großereignis für die Teenager, im Gedenken an die toten Mitschüler.«
    Striker fluchte leise. Verdammt, irgendwas war da bei ihm zu Hause schiefgelaufen. »Joyce, bleiben Sie mal einen Moment dran, ja?«
    Er lief auf die Straße, wo die Fahrzeuge des SEK standen, und schwang sich in den Wagen von Jake Holmgren, ihrem Teamführer. Über Funk erkundigte er sich bei der Einsatzleitung nach den beiden Cops, die vor seinem Haus patrouillierten. Nach einer knappen Minute kam die Antwort:
    Â»Da ist nichts eingetragen.«
    Strikers Mund war mit einem Mal staubtrocken. »Bei mir zu Hause sollten zwei Wagen stehen – einer vor, einer hinter dem Haus. Sie wurden heute Morgen so eingeteilt.«
    Â»Lassen Sie mich noch mal kurz was nachschauen.« Er hörte Tippgeräusche und dann: »Da bin ich wieder. Sie wurden um zwei Uhr abgezogen.«
    Strikers Finger umklammerten den Hörer. »Auf wessen Order?«
    Â»Die kam von Deputy Chief Laroche. Ich denke, sie wurden woanders gebraucht. Von wegen Personalengpass und so.«
    Striker beendete die Verbindung und fluchte. Dann fragte er in sein Handy: »Joyce, sind Sie noch dran?«
    Â»Ja.«
    Â»Sie hatten Recht, es ist Courtney.« Während er sprach, rieb Striker sich mit den Fingerspitzen die Schläfen, fühlte, wie die Adern schmerzhaft pulsend hervortraten. Die Parade of Lost Souls. Grundgütiger, da regierte jetzt garantiert das Chaos. Und wenn Courtney tatsächlich betrunken war, konnte sie sich auf was gefasst machen. Das fehlte ihm noch. Ausgerechnet jetzt. Es war kurz vor acht, die große Halloween-Fete war in vollem Gange.

»Ich muss Schluss machen, Joyce. Danke für den Anruf. Ich fahr umgehend hin. Drücken Sie mir die Daumen, dass ich sie in dem Gewühl finde.«
    Â»Legen Sie nicht auf!«
    Ihre Stimme überschlug sich fast. »Joyce, ist sonst noch was?«
    Â»Sie war nicht allein«, sagte die Frau atemlos. »Sie war mit dieser Freundin zusammen – Raine.«
    Â»Und?«
    Â»Das Mädchen suchen Sie doch, oder?«
    Â»Nicht dass ich wüsste.«
    Joyce schluckte nervös, dann sagte sie: »Sie wissen, wer Raine ist, oder?«
    Â»Ich hab sie nie persönlich kennen gelernt, wenn Sie das meinen.«
    Â»Raine ist ihr Spitzname. Eigentlich heißt sie Riku. Riku Kwan.«
    Eine eisige Klammer legte sich um Strikers Herz. » Was ? Wie zum …«
    Â»Patricia wollte, dass Raine einen asiatischen Namen bekommt«, erklärte Joyce, »folglich wurde sie auf den Namen Riku getauft. Aber ihr Rufname ist Raine – weil das besser hierherpasst, fand Patricia. Ich dachte … ich dachte, Sie wüssten das. Das weiß so ziemlich jeder .«
    Statt einer Antwort entwich Striker ein gefrustetes Stöhnen. Der Fall war von Anfang an vertrackt gewesen.
    Felicia, die ihn aus den Augenwinkeln heraus beobachtete, streifte ihn mit einem fragenden Blick. Er ignorierte es, bat Joyce, ihm Naomi ans Telefon zu holen, und erfragte von dem Mädchen weitere Details. Als er sein Handy zuklappte, trat seine Kollegin zu ihm.
    Â»Irgendwas Wichtiges?«
    Striker musterte sie niedergeschlagen. »Das war die Mutter von einer von Courtneys Freundinnen. Offenbar treibt Courtney sich angeschickert auf der Parade of Lost Souls rum.«
    Seine Kollegin zuckte grinsend mit den Schultern. »Nun hab dich mal nicht so. Sie ist fünfzehn. Haben wir früher doch auch gemacht, oder?«
    Â»Sie ist mit Riku Kwan zusammen.«
    Das Grinsen auf Felicias Gesicht verlor sich. »Riku? Aber wie … wie