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Schnittmuster

Titel: Schnittmuster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Slater Sean
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Emotionen, die ihre eigene Befindlichkeit widerspiegelten. Statt einer Antwort legte sie tröstend den Arm um Raine, spürte, wie der Van über den Asphalt bretterte und sie unaufhaltsam zu einem unbekannten Ort brachte.
96
    Striker hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, als er wieder am Commercial Drive ankam. Er war wie betäubt, sein Gehirn scheinbar leergefegt. Überall standen Polizeifahrzeuge. Ein Cop bewachte den getöteten Fahrer des Lieferwagens, der am Westrand vom Grandview Park lag. Ein weiterer Cop kümmerte sich um das tote Mädchen, das Shen Sun vor der Bühne abgeknallt hatte. Einer parkte vor Turk’s Coffee Shop, wo sich Sanitäter um Felicia kümmerten.
    Striker lief den Drive hoch. Die Straßen waren inzwischen gähnend leer. Er drängte an dem Sanitäter vorbei und zu seiner Kollegin. Sie drückte ihn auf Armeslänge von sich, ihr Blick fragend.
    Â»Er ist mir entkommen«, gestand Striker. »Mit den Mädchen.«
    Â»Konntest du das Fluchtfahrzeug erkennen?«
    Â»Ja, ein weißer Hobbes-Meats -Lieferwagen. Hab ich schon über Funk weitergegeben.« Die Worte kamen schwer über seine Lippen, klangen hohl, hilflos. Er fühlte sich zerrissen, wie ein unterhöhlter Damm, der jeden Moment zu zerbersten droht. Als er erneut sprach, kämpfte er mit seiner Fassung. »Sie könnten überall sein.«
    Â»Los, komm – zum Wagen. Wir finden sie.«
    Striker betrachtete ihr Gesicht, sah das eingetrocknete Blut auf Kinn und Hals, die Schwellung auf ihrer Wange. Er nickte, und sie liefen gemeinsam zum Commercial. Unterwegs vibrierte sein Handy an seiner Hüfte. Er zog es aus der Hosentasche, las das Display und war wie elektrisiert. Mit einer Mischung aus Skepsis und Euphorie starrte er auf den Namen: Courtney.
    Â»Hallo?«, sagte er hastig.
    Eine Männerstimme antwortete, kurz angebunden und schroff: »Ironworkers’ Bridge. Halbe Strecke.«
    Â»Shen Sun?«
    Â»Sperren Sie Verkehr an beiden Seiten von Brücke. Und kommen allein, Gwailo . Sonst beide sterben.« Die Leitung war tot.
    Â»Er will, dass du allein auf die Brücke kommst? Hält er dich für so blöd?«, meinte Felicia, die jedes Wort mitgehört hatte.
    Â»Ich fahr hin.«
    Â»Jacob, das kannst du nicht …«
    Â»Ich muss, Felicia. Was meinst du, weshalb er angerufen hat? Er könnte längst über alle Berge sein, wenn es ihm darum ginge. Nein, es geht nicht mehr um den Diebstahl oder die Morde oder die Position, die ihm versprochen wurde – es ist eine Sache zwischen ihm und mir. Er will mich .«
    Â»Halt, stopp mal. Komm erst mal wieder runter. Und überleg genau, was du tust. Was er will, interessiert nicht, Jacob. Grundgütiger, warte wenigstens, bis sie Scharfschützen an der Brücke positioniert haben.«
    Â»Dafür haben wir nicht die Zeit.«
    Sie packte ihn am Arm, rüttelte ihn. »Jacob, es ist glatter Selbstmord.«
    Striker riss sich los. »Er hat Courtney, Felicia. Er hat mein kleines Mädchen in seiner Gewalt.«
    Bevor sie antworten konnte, lief er zu dem Polizeiwagen. Shen Suns Order hallte ihm noch im Ohr: ein Treffen auf halber Höhe der Brücke. Eine Vollsperrung der Brücke. Striker war klar, was das bedeutete. Verhandlungen würden zu nichts führen.
    Alles zwecklos.
    Shen Sun hatte nicht vor, die Nacht zu überleben.
97
    Die Ironworkers’ Memorial Bridge war ein zwölfhundert Meter langes, sechsspuriges Stahlungetüm, das sich über Burrard Inlet spannte und die Stadt Vancouver mit dem Nordufer verband. Sie stand auf hohen Betonpfeilern, von tosenden Wassermassen umspült. Von Dauernebel eingehüllt, gespenstisch und dick, wirkte die Fahrbahn eher wie ein Hexenkessel. Die Brücke war 1957 errichtet worden, der Bau hatte 136 Todesopfer gefordert.
    Striker betete, dass es heute Abend nicht noch mehr werden würden.
    In weniger als vier Minuten war er mit Felicia an der südlichen Auffahrt, die bereits von einem Streifenwagen mit zuckendem Signallicht blockiert wurde. Neben dem Polizeifahrzeug stand ein Streifenpolizist mit orangegelber Reflexionsweste, der sie weiter in eine Haltebucht winkte. »Parken Sie da, Striker.«
    Striker leistete der Anweisung Folge und stieg aus.
    Er kannte den Mann. Es war Chris Matthews von der Einheit Zwei-acht. Striker lief zu ihm, sein Kopf ähnlich vernebelt wie die Fahrbahn. Er war kaum zehn Schritte

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