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Schnittstellen

Schnittstellen

Titel: Schnittstellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Abens
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Und auch jetzt verspüre ich oft genug den Drang ihnen zuzuschreien, was ich von ihrer Heuchelei denke. Aber ich tue es nicht. Ich bleibe für mich, einsam. In einer Welt, in der nur ich zugeben kann, was für ein abartiges Wesen ich bin. Das macht mich einsam. Verlassen. Unverstanden.
    Anja
    Meike ist eine tickende Zeitbombe. Sie rastet mir gegenüber völlig aus. Sie ist von Wut besetzt. Wenn ihr die Worte fehlen, rennt sie auf mich zu, als wollte sie mich schlagen. Alle Fassung, die vor den Ferien gewonnen war, ist verloren. Der bildliche Ausdruck wird mir richtig klar, wenn ich Meike sehe. Eine Fassung ist etwas, wo etwas anderes hineinpasst. Fassungslos, außer Fassung. Meike hat ihre Fassung verloren. Wie sagte noch irgendein Schriftsteller: »Ich fühle mich wie ein Koffer, der nicht mehr zugeht.« Das ist ja noch harmlos, da er noch seine Fassung hat. Über die eigenen Ufer treten, keinen vernünftigen Rand seiner selbst mehr fühlen, das habe ich selbst gespürt als junger Mensch, und man wünscht sich jemanden, der einem die Fassung zurückgibt, aber es gibt ihn nicht. Und ich kann es nicht bei Meike leisten und Karl nicht und Frau Hendricks, die Therapeutin, offensichtlich auch nicht.
    Meike
    Es ist alles beschissen. Es ist alles scheiße! Die Welt ist scheiße, das Leben ist scheiße und vor allem ich bin scheiße! Ich widere mich an. Ich könnte kotzen, wenn ich daran denke, wie ich aussehe, wie ich mich verhalte, wie ich lebe, wie ich einfach nur bin. Ich hasse mich. Ich kann nichts und sollte das einsehen. Einsicht ist so schwer, wenn sie schmerzt, es tut so weh, zu spüren, dass man selbst so wertlos und zu nichts zu gebrauchen ist. Es ist ein beschissenes, grauenhaftes Gefühl, wenn man merkt, dass man mit jeder verkackten Faser seines Körpers nicht da sein sollte, weil man es nicht wert, ist da zu sein.
    Mir tut nichts weh.
    Außer mein Herz, bei jedem Schlag schmerzt es so sehr. Es will nicht mehr schlagen! Es will keine Arbeit leisten, um weiter das zu ertragen, was es durch meine Sinne von dieser grauenhaften Außenwelt erfährt! Es ist müde und kaputt und kann nicht mehr. Ich fühle mich schwach und elend und bin wütend auf die Welt. Sie tut meinem Herzen nicht gut, das Leben tut meinem Herzen nicht gut und bringt es dazu, Angst zu haben. Und mit meinem ganzen Körper muss ich diese Angst spüren, mein ganzer Körper zieht sich im Rhythmus meines krampfenden Herzens ebenso schmerzhaft zusammen und reißt daraufhin ein Stückchen auf, zieht sich wieder zusammen und scheint wieder zu zerspringen.
    Ich bin so wütend, ich will diesen Schmerz nicht, und ich will mich nicht. Hätte ich nicht mich, gäbe es auch diese schrecklichen Gefühle nicht. Ich kann als Monster nicht leben, weil die Menschen mir mein Leben zur Hölle machen! Ich bin ein schreckliches Monster unter all diesen Puppen. Ich kann nicht in den Spiegel sehen, ohne angeekelt zu sein, wie ich aussehe! Wie eine Missgeburt! Und dann denke ich daran, was andere Menschen denken müssen, wenn sie mich sehen, und hasse sie dafür, dass sie so gut schauspielern können und nicht gleich bei diesem Anblick das Gesicht verziehen. Ich hasse sie, weil sie mir nicht die Wahrheit über mich sagen! Ich hasse meine Mutter, weil sie mir nicht die Wahrheit sagt, weil sie nicht zugeben will, dass ich eine dreckige Missgeburt bin und nur aus Mitleid akzeptiert werde, sich insgeheim aber jeder wünscht, dass ich verrecke, sich jeder wünscht, mir eine Kugel in den Kopf zu schießen und darüber zu lachen. Lauthals zu lachen über das erlegte Monster, das nun niemandem mehr Angst einjagen kann. Wieso muss ich diesen verfickten Weg der Erkenntnis ganz allein gehen! Wieso stimmt mir niemand zu, dass ich so widerwärtig bin, wie ich mich sehe. Das würde dem Ganzen ein dennoch schmerzvolles, aber immerhin schnelleres Ende setzen. Ich kann mich nicht töten, solange ich noch zweifle.
    Ich will mein Spiegelbild heute nicht sehen. Der Tag war die Hölle. Ich kann mich selbst nicht mehr ertragen. Ich musste doch die ganze Zeit schon die Welt ertragen, ich will mich nicht noch mit mir auseinandersetzen müssen. Der Spiegel lehnt an der Wand hinter meiner Tür. Ich mache die Tür auf, gehe hinein, schaue nach links und sehe mein Spiegelbild. Es ist so. Ich könnte auch nach rechts blicken, aber ich gucke in den Spiegel, automatisch. Obwohl ich weiß, dass es nicht gut ist. Der Spiegel macht mich krank. Genau wie eine Waage. Und selbst meine Mutter meint, dass

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