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Schnittstellen

Schnittstellen

Titel: Schnittstellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Abens
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sagt, sie ist froh allein zu sein. Einerseits. Andererseits ruft sie uns häufig auf dem Handy an. Wegen Nichtigkeiten, aber manchmal auch aus Verzweiflung. Wie es ihr geht? Schlecht. Und ich fühle die kalte Einsamkeit durchs Telefon. Wenn wir nach Hause kommen, sieht es oft chaotisch in unserer Wohnung aus. Wenn wir Meike darauf aufmerksam machen, wird sie wütend. Oder sie schweigt. Dieser Wechsel von wutschnaubender Hitze zu kühler Einsamkeit und Isolationssucht macht mich fertig. Wenn ich als Jugendliche allein sein wollte, dann um herumzugammeln, aber ich fühlte mich danach meist nicht gut. Es hat das Gefühl des Alleinseins und nicht verstanden zu werden eher verstärkt. Anna wollte schon mit siebzehn unerwartet ausziehen. Damals haben wir ihr einen Riegel davorgeschoben, Karl und ich. Anna wollte ohne Kontrolle sein, aber sie war mit sich noch nicht fertig. Als sie mit neunzehn auszog, war sie auch noch nicht fertig (wann ist man das schon?), doch sie war in ihren Zielsetzungen klarer.
    Meike hat mit zwölf Jahren an einem Schüleraustausch teilgenommen und war für einige Wochen in England. Heute käme das für sie nicht mehr infrage. Fremde Menschen sind ihr ein Gräuel. Alleinsein kann nicht die Lösung von Meikes Problemen sein. Aber Kontrolle ist es auch nicht. Herrgott, warum ist das alles nur so kompliziert?
    Meikes Tagebuch
    Fragen
    Ihr wundert euch, wenn ich schreie,
    wundert euch, wenn ich beiße,
    wundert euch, wenn ich voll Wut jedes Kleidungsstück zerreiße.
    Ihr fragt euch, weshalb ich kratze, fragt euch, weshalb ich schlage, fragt euch, weshalb ich mich zu widersetzen wage.
    Ich sage euch, weswegen ich mich so gebe.
    Ich gebe mich so, weil ich euch nicht verstehe.
    Ich gebe mich so, um euch klarzumachen, ihr sollt mir eure Gründe verständlich machen, gebe mich so, damit ihr seht, dass der Mensch noch lebt, der unter euch steht.
    Anja
    Es ist geschafft. Das Schuljahr ist geschafft. Ich weiß, dass es für Meike hart war. Wie soll es jetzt weitergehen? Die Oberstufe absolvieren oder eine Ausbildung? Meike hat keine Idee, was sie interessieren könnte. Die Ausbildungsberufe, die mir durch den Kopf gehen, scheinen mir irgendwie falsch für Meike. Wenn ich sie Meike aufzähle, ist sie ratlos. Sie ist müde. Und ich denke, Ferien tun erst mal gut. Ich stecke noch immer in meinem Referendariat und muss nach Weihnachten die Examensarbeit abgeben. Während des Schuljahres geht nicht viel, also muss ich in den Sommerferien daran arbeiten. Wenigstens schon mal die Eckdaten und die Struktur schaffen. Ferien im Hunsrück. Meike möchte etwas Zeit mit uns verbringen und etwas Zeit allein. Karl hat weniger Urlaub als ich, darum verbringe ich eine Woche mit Meike und Carina in unserem halbfertigen Häuschen.
    Unseren guten Freunden, den Eltern von Carina, geht es schlecht. Die Firma, für die vor allem Nasif federführend war, ist pleitegegangen. Ulla hatte dort mitgearbeitet. Sie ist ein Organisationstalent, sie ist fleißig, aber das alles hilft nicht, wenn ein Riesenapparat zusammenbricht und alle, die in den guten Jahren gern profitiert haben, in Windeseile das sinkende Schiff verlassen. Und das hatte gravierende gesundheitliche Folgen, sowohl für Ulla als auch für Nasif, für den seine Gesundheit von je her nicht auf der Prioritätenliste stand. Karl und ich sind bestürzt, aber bei einer Katastrophe von solchem Ausmaß können wir kaum helfen. Den freundschaftlichen Kontakt halten, aber was nutzt das schon. Unsere Freunde stehen vor dem Bankrott ihres Lebens, und ich wundere mich über Carina. Sie ist immer noch das freundliche, zu Scherzen aufgelegte Mädchen, die als Einzige den Zugang zu Meike behält. Sie wird das nächste Schuljahr in Amerika verbringen. Das ist gut für Carina, aber was wird Meike machen? Da weder Meike noch uns in den Ferien die Erleuchtung kommt, was ihre weitere Ausbildung betrifft, will sie nun erst einmal die elfte Jahrgangsstufe besuchen.
    Meike
    Meine Eltern hatten mir VERSPROCHEN , dass ich nicht mehr in die Schule gehen muss. Und was ist jetzt? »Willst du die Elf nicht doch versuchen?«, fragte mich meine Mutter in den Ferien. In den Ferien findet man die Schule nicht so schlimm, da ist man ja in sicherer Entfernung. Also habe ich dann irgendwann eingewilligt, damit sie aufhört zu nerven. Wie blöd kann man nur sein! Jetzt muss ich wieder zur Schule. Und diesmal auch zu dem beschissenen Sportunterricht. Im zweiten Halbjahr der zehnten Klasse hatte ich ein Attest

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