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Schnitzelfarce

Schnitzelfarce

Titel: Schnitzelfarce Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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schätzte die voraussichtliche Dauer der vor fünfzehn Minuten begonnenen
Eröffnungsfeierlichkeiten inklusive Preisverleihung auf weitere dreißig Minuten
ein. Mindestens. Hoffentlich würde das Wetter solange aushalten.
    An sich war ein Ereignis wie diese Eröffnung von rein lokaler,
bestenfalls regionaler Bedeutung. Berichte darüber würden lediglich im
Chronikteil oder vielleicht noch in den ›Schickimicki-Spalten‹ der Medien Platz
finden.
    Nicht so diese Eröffnung. Vier Wochen vor den Gemeinderatswahlen
in der größten Stadt und den Landtagswahlen im flächenmäßig kleinsten Bundesland
Österreichs wurden sowohl Straßenfeste als auch Betriebseröffnungen sehr, sehr
gerne als zusätzliche Optionen für geschönte Selbstdarstellungen und falsche
Versprechungen wahrgenommen. So gesehen war eine Betriebseröffnung im Rahmen
eines Straßenfestes ein wahrer Glücksfall für die Strategen der wahlwerbenden
Gruppierungen.
    Entsprechend groß war auch das Interesse der Medien. Deren
Vertreter wussten zwar schon auf den Beistrich genau, was ihnen die Festredner
wieder an Worthülsen und sonstigen Peinlichkeiten zumuten würden. Aber da war
immer noch die Hoffnung, dass doch irgendetwas Unvorhergesehenes geschah. Und
wenn es nur der ›Fritzelack‹ eines patscherten Bezirkskaisers war oder das
plötzlich platzende Dekolleté einer der vielen Schönen.
    Um die nach wie vor zumindest potenziell vorhandene Gefahr von
Störungen durch die wenigen wacker auf der gegenüberliegenden Straßenseite
ausharrenden Kämpen der WD im Keim zu ersticken, hatte sich Wiener etwas
einfallen lassen. Kurz bevor der erste Redner loslegte, hatte er dem Häufchen
Unentwegten, die sich noch nicht ins nächste Wirtshaus zur Strategiebesprechung
zurückgezogen hatten, eine ausreichend große Zahl an Schnitzelsemmeln und
alkoholfreien Biers bringen lassen. In Plastikbechern natürlich. Damit hatte er
ihnen im besten Sinne des Wortes den Mund gestopft.
    Um durch diese von inzwischen mehr als zweihundert Zusehern
beobachtete Geste nicht in den Verruf zu kommen, ein fördernder Sympathisant
dieser Gruppierung zu sein, hatte er gleichzeitig zwei seiner hübschesten und
in ihren schmucken Arbeitsdressen tatsächlich zum Anbeißen aussehenden
Mitarbeiterinnen herum gehen lassen. Auf den von ihnen getragenen Tafeln stand
in übergroßen Lettern geschrieben: »Das ist keine Sympathiebezeugung, sondern
Bestechung, Sie verstehen ?«
    Viele hatten verstanden und gelacht, viele hatten nicht
verstanden und dennoch gelacht, weil sie nicht wollten, dass die anderen
erkannten, dass sie eigentlich nicht verstanden hatten. Eine dritte,
zugegebenermaßen sehr kleine Gruppe von Gästen, ausschließlich Jugendliche
hatten wieder zu gut verstanden. Sie baute sich neben den WD’lern auf, brüllte
ein-, zweimal so etwas wie »Scheiß Spaghetti« und hofften wohl, auf diese Weise
auch zu einer kostenlosen Jause zu kommen. Da hatten sogar die eifrig kauenden
Recken der »Wehrhaften Demokraten« lachen müssen und alles schien bestens.
    Jetzt waren alle festredenden aktiven Politiker mit Ausnahme des
amtsführenden Stadtrates mit ihren vielfach bewährten Wortspenden durch und der
schon zu Lebzeiten zur Legende gewordene Dr. Ladak betrat das Rednerpult.
Schlagartig hörte das »Rhabarber, Rhabarber« der Menge auf. Auch die
Journalisten spitzten jetzt die Ohren, denn von dem Altbürgermeister konnte man
allgemein ein Feuerwerk an geschliffener Rhetorik, pointierten Formulierungen
und nicht immer ganz subtil vorgebrachten Wahrheiten erwarten. In der für den
Redner typischen Selbstgefälligkeit natürlich. Vor allem aber warf er nie
Fragen auf, die er nicht sofort auch selbst beantwortete. Insgesamt standen
einige Minuten von hohem Unterhaltungswert bevor.
    Palinski, der mit den anderen Finalisten einen der raren
Sitzplätze zugewiesen erhalten hatte, erkannte Wilma und Tina in der Menge. Es
war bereits knapp vor halb sechs und er sah keine Chance mehr, das Auto seiner,
was war Wilma eigentlich für ihn, also der Mutter seiner Kinder selbst aus der
Tiefgarage zu holen. Zumindest nicht, ohne eine Brüskierung Hektor Wieners zu
riskieren.
    Falls Wilma ihr Auto morgen haben wollte, musste sie es eben
selbst holen. Und zwar rasch. Heftig gestikulierend versuchte er, sie auf sich
aufmerksam zu machen und zum Herkommen zu bewegen. Ersteres gelang ihm rasch,
Zweiteres dagegen überhaupt nicht. Wilma winkte ihm lediglich

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