Schnitzelfarce
Wallner zu verständigen. Er bemerkte zunächst gar
nicht, wie seine Hände zitterten.
* * * * *
Die Nachricht von dem terroristischen Anschlag
auf einen amtsführenden Wiener Stadtrat, dessen unwahrscheinliches Glück, sich
genau im entscheidenden Moment zu bücken und die gleichzeitige Tragödie, dass
seine Frau dabei getötet wurde, verbreitete sich in
Windeseile. Nicht nur in den österreichischen TV-Sendern beherrschte dieses
schreckliche Geschehen die Abendnachrichten. Es bildete auch die Spitzenmeldung
in den Ländern der Europäischen Union und zahlreicher außereuropäischer
Sendeanstalten.
Ein Aufruf der Polizei an die Bevölkerung
nach sachdienlichen Hinweisen, vor allem aber nach vor, während und nach dem
schrecklichen Geschehen gemachten Videoaufnahmen und Fotos rundete die mehr als
zwanzigminütige Berichterstattung ab. An jedem anderen Tag hätte die Entführung eines steinreichen Großindustriellen und die Zusendung seines
linken Ringfingers, mit Siegelring des Firmengründers wohlgemerkt, den ersten
Platz im Meldungsblock eingenommen. Heute rangierte die Nachricht aber nur an
der Spitze der Palette: »Was sonst noch alles geschah .« Da der anschließende Bericht über den unerwarteten 2:1 Erfolg der
Nationalmannschaft bei WM-Qualifikationsgegner Island ebenfalls mehr Gemüter zu
bewegen verstand als ein einzelner handloser Finger mit oder ohne Ring, blieb
das traurige Schicksal Eugen Filzmayers, dessen gesamtes Ausmaß ohnehin nur
eine einzige Person auf dieser Welt kannte, der breiten Öffentlichkeit
weitestgehend verborgen.
Nicht so dem Entführer, der auf die Meldung
gewartet hatte wie ein Verdurstender auf ein Glas Wasser. Während seine Frau
noch wortreich das Schicksal der ›armen Frau im Rollstuhl‹ bedauerte, ärgerte
er sich maßlos über ein für ihn völlig neues Faktum. Dass nämlich »die
Entführer bereits 500 000 Euro kassiert und jetzt neuerlich Forderungen erhoben
haben .« Ihn hatte Janos unter Hinweis auf eine
Gesamtforderung von 100 000 Euro mit nur 10 Prozent abspeisen wollen. Und war
dann auch noch mit der zweiten Rate seines Geldes nach, wie hieß die Insel in
der Südsee noch bloß, abgepascht.
»Der Mann war mein Chef« stellte er mitten während der gar nicht
erfreulichen Wetternachrichten für die nächsten Tage fest.
»Du meinst, der Stadtrat ist dein Chef ?« ,
wunderte sich seine Frau.
»Nicht der Stadtrat, sondern der tote Mann«, korrigierte er.
»Ich meine, der entführte Mann. Kommerzialrat Filzmayer.«
»Du meinst, der Mann, dem diese Verbrecher den Finger
abgeschnitten haben, ist dein Chef? Na so etwas, das habe ich ja gar nicht
gewusst .«
Wie konnte sie auch, die Gute, dachte sich der Entführer in
einem seiner seltenen scharfsinnigen Anflüge, die Nachricht ist ja eben erst
über den Bildschirm gegangen. Die Bemerkung mit dem Verbrecher schmerzte ihn
überraschenderweise, aber woher sollte Dorothea es auch besser wissen.
Bei der nachfolgenden Werbung fielen ihm die Gutscheine für den
›Big Flop‹ wieder ein. Er griff in seine Jackentasche und holte die lose darin
befindlichen Papierln heraus, darunter auch die beiden Karten für die
Stadthalle.
Er war fest entschlossen, diese Karten zu vernichten, um auch
nicht das geringste Risiko einzugehen. Obwohl, wie er sich vorhin telefonisch
informiert hatte, die Veranstaltung am nächsten Mittwoch bereits seit Wochen
ausverkauft und die Nachfrage nach Eintrittskarten nach wie vor groß war. Er
erinnerte sich, im Fernsehen einmal einen Beitrag über diese irische Tanzgruppe
gesehen zu haben. Die perfekte Show hatte selbst ihm als Balletthasser gut
gefallen. Immerhin war jedes der beiden erstklassigen Tickets 80 Euro wert und
würde im Schwarzhandel unmittelbar vor Beginn noch wesentlich mehr bringen.
Aber das Risiko war zu groß. Entschlossen stand er auf, ging in die Küche und
warf die beiden Karten in den Abfalleimer.
Dann gab er jedem seiner beiden Söhne zwei Fressgutscheine und
freute sich darüber, dass sie sich freuten. »Jetzt aber nichts wie ins Bett mit
euch beiden. Der Film jetzt ist nichts für Kinder .«
»Habe ich geschenkt bekommen«, beruhigte er Dorothea, ehe sie
noch auf die Idee kommen konnte, ihm wegen dieser Verschwendung Vorwürfe zu
machen.
Doch die hatte gar nicht daran gedacht. »Ist schon gut«, meinte
sie und streichelte ihm liebevoll übers Haar. »Warum sollen die beiden nicht
auch hin und wieder eine Freude
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