Schnitzelfarce
Teil seines spontanen Redekonzepts damit auch
schon erledigt, »Sie alle hier herzlich begrüßen und Herrn Wiener zu dieser
jüngsten Perle in der rasch wachsenden Kette seiner Betriebe beglückwünschen.
Sonst scheint mir alles bereits gesagt worden zu sein. Im Gegensatz zu meinen
Vorrednern will ich nicht Wahlkampf betreiben. Ich stehe hier als
Juryvorsitzender des Schnitzelwettbewerbs. Wir werden jetzt die Sieger küren
und dann alle gemeinsam ein Fest feiern .«
Unwillig musste Palinski die Brillanz dieses rhetorischen
Schachzuges anerkennen. Die Leute wollten endlich saufen und fressen und nicht
noch einmal mit politischen Sonntagsreden gelangweilt werden.
»Ich schreite daher jetzt zu der ehrenvollen Aufgabe, die drei
Sieger bekannt zu geben .« Eine der beiden besonders
feschen Mitarbeiterinnen Wieners überreichte dem Stadtrat ein gelbes Kuvert. Der
hatte sich inzwischen seine Lesebrille fotowirksam so auf der Nasenspitze
platziert, dass er gar nicht anders konnte, als über die Halbgläser hinweg
sehen zu müssen.
»Wir geben jetzt den dritten Sieger und damit den Gewinner von 2
000 Euro bekannt .« Scheinbar aufgeregt riss er den
Umschlag auf, nahm ein Blatt heraus und blickte darauf.
»And the winner is .... Isabella Popovich aus Wien-Brigittenau.«
Die Blonde, die ihr Schnitzel mit den zerbröselten Erdäpfelchips paniert hatte,
warf die Arme in die Höhe und jubelte. Und die links hinter Palinski sitzende
hantige Alte mit dem Anflug an Oberlippenbart knurrte etwas wie »Schiebung, die
kann doch gar nicht kochen .« Ich auch nicht, dachte
sich Palinski.
Inzwischen hatte sich Isabella ihren Preis, einen kleinen Pokal
in der Form einer Friedhofsvase und vor allem natürlich auch ihren Scheck
geholt. Nach dem obligatorischen Küsschen mit dem Stadtrat und den davon
gemachten Fotos kam der zweite Gewinner dran. Diesmal in einem grünen Kuvert.
Die trockene Luft hatte Ansbichler durstig gemacht und er bat um
ein Glas Wasser. Die dadurch bedingte Pause wurde durch das fast wie geplant
wirkende Auftauchen eines Sportflugzeuges über der Hauptstraße verkürzt. Auf
dem nachgeschleppten Transparent konnte man gerade noch: »Mit uns in eine
bessere Zukunft für Wien« lesen. Wer ›uns‹ war, blieb wegen der auf diese
Distanz nicht mehr entzifferbaren, weil zu kleinen Schrift allerdings ein
Geheimnis.
Nachdem der Stadtrat seine Mundschleimhäute gewässert hatte,
nahm er ein Stecktuch aus dem Sakko. Offenbar um sich damit über die Stirne zu
wischen. Dabei schien ihm etwas aus dem Brusttascherl heraus und auf den Boden
gefallen zu sein. Prompt bückte er sich hinter das Rednerpult, um den
Gegenstand aufzuheben.
Palinski, der sich innerlich auf seinen, wie er vermutete, jetzt
bevorstehenden Auftritt als ›zweiter Sieger‹ vorbereitete, bemerkte plötzlich
instinktiv, dass etwas nicht stimmte. Ein Geräusch, das nicht durch das
Flugzeug mit der Werbebotschaft im Schlepptau hervorgerufen worden sein konnte
sowie eine fast unmerkliche Bewegung am äußersten Rande seines Blickfelds
ließen eine Alarmanlage in seinem Kopf losgehen.
Da kamen auch schon erste entsetzte Aufschreie aus den Reihen
der Ehrengäste. Nicht erstaunlich angesichts der Tatsache, dass Carola
Ansbichler-Schmucks Körper in sich zusammengesunken war. Und das dreißig
Zentimeter über den der anderen. Knapp über ihrem linken, leblosen Auge war
selbst für einen Laien unübersehbar ein Einschussloch erkennbar.
Ein Medizinstudent im vierten Semester, der als Schichtführer in
der ›Beisl-Bar‹ engagiert war, reagierte als Erster. Scheu trat er zu dem
zusammengesunkenen Körper der Frau, suchte einen Puls und fand trotz
wiederholter Bemühungen keinen mehr. Schließlich schüttelte er nur stumm den Kopf
und Ing. Ansbichler brach tränen-überströmt über der Leiche seiner Frau
zusammen.
Inzwischen hatten auch die meisten der Umstehenden mitbekommen,
was geschehen war und rannten in Panik auseinander. Nur die Vertreter der
Medien blieben. Keiner von ihnen hätte je zu hoffen gewagt, einmal persönlich
und unmittelbar bei der Genesis einer solchen Topmeldung dabei zu sein. Schade
nur, dass auch noch so viele andere Kollegen hier waren.
Wenigstens hatte er jetzt eine Entschuldigung dafür, dass er
Wilmas Auto nicht hatte holen können, schoss es Palinski durch den Kopf. Gleich
darauf schämte er sich aber schon für diesen spontanen Gedanken und nahm sein
Handy heraus, um Helmut
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