Schnitzelfarce
Wismuth versuchte, sich zu erinnern. »Ich glaube, irgendwas mit
der Lunge. Er soll seit seinem 13. Lebensjahr geraucht haben, bis zu sechzig
Zigaretten am Tag .« Sie schüttelte missbilligend den
Kopf.
»Eine letzte Frage noch, Frau Wismuth. Wurde innerhalb der
letzten, sagen wir zwei Monate, Mitarbeitern gekündigt ?« Sie nickte und berichtete ihm, dass am Montag nach Filzmayers Entführung rund
dreißig Kündigungsschreiben zur Post gegangen waren.
»Ich habe mir schon gedacht, dass Sie danach fragen werden und
eine Liste der Betroffenen vorbereitet .« Sie reichte
ihm ein dicht beschriebenes Blatt Papier.
Jetzt war es soweit, Inspektor Wallner musste weg, wollte er bei
seinem ersten Auftritt im Nationalen Sicherheitsrat nicht mit Unpünktlichkeit
punkten. Palinski war ganz froh über die erzwungene Unterbrechung. Erna Wismuth
schien sich eben so richtig warm geredet zu haben und das ließ das Schlimmste
befürchten. Er nutzte die Chance, dankte ihr und wechselte noch einige Worte
mit dem Inspektor. Falls sich nichts anderes ergab, wollten sie sich heute beim
›Zimmermann‹ in Salmannsdorf treffen. Natürlich wieder um 20 Uhr.
Palinskis nächster Gesprächspartner war laut Visitkarte ein
gewisser »Alexander D. Nowotny - Deputy Chief Finance Officer« des
Unternehmens. Auch gut, dachte er, es wird sich schon noch herausstellen, was
der Mann arbeitet.
Nowotny war sensibler als seine etwas grobschlächtige
Erscheinung vermuten hätte lassen. »Lassen Sie sich durch diese geschwollene
Formulierung nicht irritieren«, schmunzelte er »bevor sich die Japaner vor
einigen Tagen hier breit gemacht haben, war ich schlicht und einfach
Oberbuchhalter mit Prokura .«
Palinski fand das zufällige zeitliche Zusammentreffen der Söhne
Nippons mit der Entführung immer eigenartiger. Er bat den ›Deputy Chief‹, ihm
die Zusammenhänge zu erklären.
»Unser Unternehmen ist zwar eine AG, die Aktien werden aber
nicht an der Börse gehandelt, sondern befinden sich alle im Besitz der Familie
sowie der Nachkommen eines Freundes unseres Gründervaters. Josef Melcher war
stiller Teilhaber von Alfons Filzmayer. Seinem Geld war es zu verdanken, dass
das Unternehmen überhaupt zum Laufen gekommen ist. Die Beteiligung wurde später
in ein 25-prozentiges Aktienpaket umgewandelt. Nach zwei Kapitalerhöhungen, die
die Inhaber nicht mitgemacht haben, werden 18,7 Prozent der Aktien heute von
den Familien Melcher und Siwald gehalten. Dr. Fritz Siwald ist seit zwei Jahren
auch im Vorstand, zuständig für Marketing und Verkauf .«
Nowotny unterbrach seine Ausführungen und nahm einen großen
Schluck Mineralwasser.
»Seit mehr als einem Jahr geistert die Idee durch das Haus, die
›Mikatawashi Corporation‹ zu beteiligen und sich so frisches Eigenkapital und
modernstes Know-how zu holen .«
»Klingt logisch«, fand Palinski, spürte aber, dass sein Gesprächspartner
nicht ganz diese Meinung teilte.
»Logisch vielleicht, gleichzeitig aber nicht unproblematisch.
Dem Dr. Suber und vor allem dem Dr. Siwald geht es vor allem um die Zahlen.
Solange die stimmen, ist ihnen alles andere egal. Auch, dass die Produktion
hier in einigen Jahren geschlossen und nach Korea oder China verlegt wird. Und
das Unternehmen hier nur mehr das Bein der Japaner in der Türe zur EU ist.«
»Sie meinen also, die beiden Herren würden auch über Leichen
gehen ?« , entfuhr es Palinski. »Im übertragenen Sinn
natürlich.«
Nowotny sah sein Gegenüber nachdenklich an. Dann rang er sich zu
einem diplomatischen »Das haben jetzt aber Sie gesagt« durch.
»Aber überlegen Sie einmal«, setzte er
fort. »Am Freitag wird der Kommerzialrat, der sich immer dezidiert gegen den
Deal mit den Japanern ausgesprochen hat und einen Kooperationsvertrag nie
unterschrieben hätte, entführt. Und knapp eine Woche später ist bereits alles
gelaufen. Es sieht so aus, als ob das ganze Geschäft schon lange ausgehandelt
gewesen war. Man nur gewartet hat, bis der Alte außer Stande war, sein Veto
gegen den Handel einzulegen .« Die Frage nach dem ›Cui
bono ?‹ lieferte rasch eine Reihe attraktiver
Verdächtiger mit starken Motiven.
»Aber musste bei diesem Geschäft nicht der Aufsichtsrat zustimmen«,
fiel dem trotz mangelnden Abschlusses ausgezeichneten Juristen Palinski ein.
»Hat er auch«, antwortete Nowotny, »aber das war bloße
Formsache. Da sitzen die Ehepartner der Aktionäre drinnen, der Vorsitzende ist
der Anwalt
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