Schnitzelfarce
Hauptstraße/Billrothstraße geschossen. Da das bedauernswerte Opfer seine Kopfhaltung
nach dem Einschlag der Kugel zwangsläufig verändert hatte, musste der exakte
Standort des Täters/der Täterin zum Zeitpunkt der Abgabe des tödlichen Schusses
erst anhand von vor dem Schuss gemachten Aufnahmen rekonstruiert werden. Die
Kollegen und Kolleginnen des Kriminaltechnischen Labors warteten jetzt nur noch
darauf, solche Aufnahmen auch zu bekommen.
Wallner fand es bemerkenswert, wie der Major, dessen Namen er
noch immer nicht wusste, in seinen Ausführungen politisch völlig korrekt eine
einseitige Bevorzugung des männlichen Geschlechtes vermied. Aus Gründen der
Zeiteffizienz erschien die Einführung geschlechtsneutraler Begriffe wie ›das
Schützlein‹ oder ›das Täterlein‹ in den Amtsgebrauch durchaus
diskussionswürdig, blödelte der Inspektor still vor sich hin.
»... ziemlich sicher, dass der Schuss von hier«, der Referent
hatte inzwischen ein mannshohes Foto des ›Blaschek-Hauses‹ aufgebaut und
richtete seinen Laserpointer auf ein Fenster direkt unter der Terrasse,
»abgegeben worden ist. Abschürfungen am Verputz der an das Fensterbrett
anschließenden Mauer untermauern diesen Schluss .«
So ein Quatsch, fuhr es Wallner durch den Kopf. Falls aus dieser
Höhe ein Schuss auf Ansbichler abgegeben worden wäre, hätte dieser die Frau des
Stadtrates bestenfalls ins Knie treffen können, nie aber in den aus der Menge
herausragenden Kopf. Wenn überhaupt. Dazu war der Schusswinkel gefühlsmäßig
viel zu steil.
»Das besagte Fenster gehört zur Kanzlei eines Steuerberaters,
die gestern nachmittags naturgemäß unbesetzt war. Das Schloss der Eingangstüre
weist zwar keinerlei Einbruchsspuren auf. Für einen erfahrenen Spezialisten mit
der entsprechenden Ausrüstung stellt das einfache, relativ billige Schloss aber
kein Hindernis dar .«
Der Major nahm einen kräftigen Schluck aus dem vor ihm stehenden
Wasserglas und fuhr fort. »Zwei Stockwerke darunter befindet sich die Wohnung
einer gewissen Marlene Dumbra. Die junge Frau pflegt regelmäßigen Umgang mit
Personen aus dem Nahen Osten. Ihr Freund ist ein ägyptischer Student, der in
Wien Medizin studiert. Er lebt mit ihr in der Wohnung, war aber zum Zeitpunkt
der Perlustrierung nicht anwesend. Eine Durchsuchung der Wohnung hat einige
Ausgaben arabischer Zeitungen sowie ein Exemplar des Korans zum Vorschein
gebracht. Unserer Meinung nach besteht der dringende Verdacht, dass diese
Wohnung als konspirativer Treff gedient hat. Speisenreste in der Küche und im
Mülleimer lassen den Schluss zu, dass sich kurz vor dem Anschlag auf Stadtrat
Ansbichler mehrere Personen in der Wohnung befunden haben dürften .«
Der Major war mit seinen Ausführungen zu Ende und machte einem
Waffenexperten Platz.
»Bei der verwendeten Munition handelt es sich um das Kaliber 222
Remington. Aufgrund gewisser typischer Merkmale auf der Patrone vermuten wir,
dass es sich bei der Waffe um eine ›Mannlicher‹ handelt. Wahrscheinlich ein
Modell ›Pro Hunter‹, erläuterte der Mann und setzte sich wieder.
Wie schön, dachte Wallner, eine Mordwaffe Made in Austria.
»Gibt es noch Fragen zu dem bisher Gesagten ?« wollte der Minister wissen.
Ein Vertreter des Bundesamtes für Terrorismusbekämpfung meldete
sich. »Ich habe noch eine Frage an Major Kranzjenich«, jetzt hatte Wallner den
Namen endlich verstanden, war aber gar nicht sicher, ob er sich auch in einigen
Minuten noch daran erinnern würde.
»Wie sind Sie mit dieser Marlene Dumbra verblieben ?« Euphemistisch verbrämt wollte er offenbar wissen, ob sich
die Gute noch in Untersuchungshaft befand. »Und wie sieht es mit ihrem Freund
aus ?«
Der Major war wieder aufgestanden, antwortete aber von seinem Platz
aus. »Die junge Frau ist wegen Gefahr in Verzug und wegen Verdunklungsgefahr in
Polizeigewahrsam. Gegen den ägyptischen Studenten läuft ein Haftbefehl. Darüber
hinaus wartet ein aus zwei Mann bestehendes Team in der Wohnung auf seine
Rückkehr, um ihn festzunehmen .«
»Gut, das ist zwar noch nicht sehr viel, aber doch schon
einiges«, zeigte sich der Minister nicht unzufrieden. »Dann wollen wir einmal
hören, was uns Inspektor Wallner vom örtlichen Kommissariat auf der Hohen Warte
alles zu berichten hat .«
Jetzt wusste Helmut Wallner endlich, warum
man ihn hierher bestellt hatte. Wie schön wäre es doch gewesen, wenn man ihn
schon vorher informiert hätte.
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