Schnüffler auf Burg Schreckenstein
beiden folgenden Nächten ohne Ergebnis. Der Verursacher des Kratzgeräuschs ging nicht in die Falle. Am dritten Tag trat etwas ein, das die Aufmerksamkeit der gesamten Ritterschaft in eine andere Richtung lenkte. Während der Schweigezeit gegen Ende des Abendessens – es gab Dampfnudeln mit heißer Vanillesoße — der Schulrekord von zwanzig Stück wurde nicht annähernd erreicht – stand Schulkapitän
Ottokar auf, trat ans Schwarze Brett, läutete mit der Kuhglocke und sagte an: „Gleich nach Tisch ist Schulversammlung im Wohnzimmer!“
Nur das gab er bekannt. Sonst nichts. Die Ritter wechselten Blicke. Schulversammlung am Abend – das bedeutete ein Ereignis von größter Wichtigkeit.
„Mann!“ sagte Fritz, nachdem der Rex mit dem Silbernen Glöckchen die Mahlzeit beendet hatte. „Ich hab’s die ganze Zeit geahnt, daß irgendwas kommt.“
„Dann freu dich doch!“ empfahl ihm Beni .
Aber Fritz verzog keine Miene. Daß der Grund für die Schulversammlung nichts Erbauliches sein würde, lag in der Luft.
Ohne die üblichen Scherze begab sich die Ritterschaft in den schönen Raum, wo der Schreckensteiner Konzertflügel stand, und bildete, wie bei solchen Anlässen üblich, einen Halbkreis um den Kachelofen.
Auch die Lehrer kamen und stellten sich zu den Rittern.
Schweigend warteten alle, bis der Rex eintrat, gefolgt von Schulkapitän Ottokar, der die Tür schloß und sich dagegenlehnte , während der Rex vor den Kachelofen trat.
„Nun ist das eingetreten, womit ich eigentlich schon längst gerechnet habe“, begann er. „Es kommt eine Kommission, die unser Schulmodell prüfen soll. Die Herren werden bei uns wohnen und ihre Nasen, in alles hineinstecken.“ Ein Raunen des Unmuts ging durch den Raum; der Rex winkte ab und fuhr fort: „Der Vorgang ist an sich normal. Wenn etwas lange gutgeht , soll man prüfen, ob es tatsächlich noch gut ist. Das finde ich richtig. Sonst wird Tradition zur Schlamperei. Eine andere Frage ist der Zeitpunkt. Daß die Herren gerade jetzt kommen, hängt mit dem Unfall und der nicht eben freundlichen Veröffentlichung in der Presse zusammen. Die Gedankenverbindung vom fehlendem Bierfaß zu den Raubrittern hat möglicherweise den Ausschlag gegeben. So geht das manchmal…“
Diesmal murrten die Ritter laut.
Wie ein Dirigent das Orchester, dämpfte der Rex mit beiden Händen; „Wodurch man auf uns aufmerksam wurde, spielt letzten Endes eine untergeordnete Rolle. Früher oder später wäre es sowieso dazu gekommen. Wie ich schon gesagt habe: Was lange gutgeht , wird eines Tages unter die Lupe genommen. Das ist ganz in Ordnung. Reformer treten auf, die Anlässe suchen, um alles zu ändern. Das ist ein Gesetz. Wir werden jetzt also geprüft, weil wir den Ruf haben, gut zu sein. Schreckenstein steht vor seiner vielleicht schwersten Bewährungsprobe. Auf jeden kommt es an. Auf jede Tat, auf jedes Wort.“
„Mann!“ Pummel pfiff durch die Zähne.
Die Stimmung im Raum war hochelektrisch. Wolf konnte weder seine Erregung noch seine Neugier mehr bändigen und fragte: „Was kann denn schlimmstenfalls passieren?“
„Daß die Schule geschlossen wird.“ Die Antwort des Rex schlug wie eine Bombe ein.
„Nach Neustadt geh ich nicht mehr zurück. Nie!“ rief Miniritter Egon.
„Da wirst du nicht gefragt“, belehrte ihn Mücke und hatte wieder einmal die kürzeste Leitung. „Dann wäre das Zweitschlimmste wohl, daß sie die Schule bestehen lassen, aber das System ändern wollen“, dachte er laut.
„Wäre denkbar“, bestätigte der Rex.
„Mit welchem Recht eigentlich?“ wollte Oskar wissen, und das Murren der Ritter klang wie fernes Donnergrollen. „Wer einen Grund sucht, findet auch einen Paragraphen, der ihm recht gibt!“ dozierte Hans-Jürgen.
Jetzt brach der Unmut offen aus. Laut maulten die Ritter durcheinander.
„Kommt nicht in die Tüte!“ rief Andi. „Eher werfen wir die ganze Kommission in den Kappellsee!“
„Oder wir sperren sie zusammen mit der Horn in den Burgfried!“ kreischte der kleine Egon.
Die Ritterschaft machte sich mit Beifall Luft, obwohl jeder wußte, daß das keine Lösungen waren.
Der Rex hatte alle Mühe, sie mit Dirigentengesten wieder zu beruhigen.
„Wir lassen uns unsere Burg nicht kaputtmachen!“ brüllte Beni so laut, daß sich seine Stimme überschlug.
„Schalt erst mal dein Gehirn ein!“ riet ihm Mücke.
„Alles hängt, wie gesagt, von uns ab“, bemerkte Doktor Waldmann. „Von uns allen.“
„Genau!“ rief
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