Schnupperküsse: Roman (German Edition)
küssen. Und wie geht es dir und Sophie?«, fügt sie hinzu und wendet sich Georgia zu.
»Mir war schlecht im Auto«, erklärt sie.
»Das lag wahrscheinlich an den engen Straßen«, meint Mum.
»Ja. Warum habt ihr so lange gebraucht?«, möchte ich wissen.
»Wir haben den Panoramaweg genommen.« Mum legt ihre Hände auf die Hüften und neigt ihren Kopf zur Seite. »Um ehrlich zu sein, dein Vater hat sich verfahren, aber du weißt ja, wie er ist. Das würde er nie zugeben.«
»Genauso wenig wie Mum«, murmelt Adam.
»Mummy hatte es so eilig, dass sie in einen Traktor gefahren ist«, wirft Sophie ein und streicht mit ihrem Handrücken ein paar klebrige Krümel von ihrem Gesicht.
»Fast in einen Traktor gefahren ist«, korrigiert sie Georgia, während meine Mutter eine Augenbraue hochzieht.
Was Georgia sagt, stimmt. Ich fuhr ziemlich zügig und leicht angesäuert die Straße entlang, weil das Navi kein Signal mehr hatte und mir dadurch keine Anweisungen mehr gab. Währenddessen wunderte ich mich, wie sehr sich die Bäume doch ähnelten, was nur meinen fast völlig verlorengegangen Bezug zur Natur unter Beweis stellt, wenngleich ich diesem Tatbestand demnächst entschieden entgegenwirken werde. So war ich nicht ganz bei der Sache, als der Traktor viel schneller auf mich zukam, als ich erwartete, während ich eine scharfe Rechtskurve fuhr.
Da ich mir nicht sicher war, ob wir rechtzeitig zum Stehen kommen würden, schrie ich »Haltet euch fest!«, trat die Bremse durch und wartete auf den Schlag des Aufpralls.
»Wir waren nur so weit« – Georgia hebt ihre Hand hoch und zeigt mit ihrem Daumen und Zeigefinger einen Abstand von ungefähr einem Zentimeter – »von diesem großen, riesigen« – sie hat Mühe, die richtigen Worte zu finden, um die Monstermaschine zu beschreiben – »gigantischen Traktor entfernt.«
»Er war wirklich riesengroß«, pflichte ich ihr bei und lächle.
»Und blau«, fügt Sophie hinzu. »Und Mummy wurde ganz rot.«
»Daran kann ich mich nicht erinnern.« Das Einzige, woran ich mich erinnern kann, war, dass mein Herz zum ersten Mal seit Jahren wieder schneller geschlagen hatte. Ich ließ das Seitenfenster herunter, während der Fahrer von dem Traktor heruntersprang und auf mein Auto zukam.
»Ich glaube, der Mann möchte mit dir sprechen«, bemerkte Sophie unnötigerweise.
Als sich sein Gesicht mir näherte, ein unfreundliches mit zerfurchter Stirn, grünblauen Augen, aus denen mir ein kühler Blick zugeworfen wurde, und einem verkniffenen Mund, war ich mir nicht ganz sicher, ob ich mit ihm sprechen wollte. Mein erster Gedanke war, dass dieses sonnengebräunte Gesicht mit seiner markanten Kieferpartie auf seine schroffe Art durchaus als gut aussehend bezeichnet werden könnte, doch dann begann der dazugehörige Mann mit tiefer und dunkler Stimme zu sprechen.
»Was denken Sie eigentlich, was Sie hier machen? Das hier ist keine verdammte Rennstrecke.«
»Ich weiß … es tut mir leid«, murmelte mich. Ich musste zugeben, ich war zu schnell gefahren.
»Sie hätten sich beinahe umgebracht. Und ihre Kinder.«
Seine Augen bohrten sich in meine. Ich, die verantwortungslose Mutter, schaute weg und konzentrierte mich stattdessen auf den Rest von ihm, seinen muskulösen Oberkörper, der teilweise in einem zerschlissenen grauen Unterhemd steckte, und das Haar unter seinen Achseln, das zu sehen war, da er den Arm auf mein Auto gelehnt hatte. Ein moschusartiger, animalischer Geruch ging von ihm aus – nicht unangenehm – und seine Jeans sahen aus, als wären sie noch nie gewaschen worden, doch irgendetwas hatte er an sich. Er strahlte das Selbstvertrauen von jemandem aus, der sich in seiner Haut wohlfühlt.
»Ist ja gut. Ich habe doch schon gesagt, es tut mir leid«, begann ich, als er keine Anstalten machte, wieder zurück zu seinem Traktor zu gehen.
»Sie kommen nicht von hier, oder?«, fragte er mich in dem breiten Akzent, der für den Südwesten Englands typisch ist. Er hielt kurz inne, um sich eine Strähne seines hellbraunen, fast blonden Haars aus den Augen zu streichen. »Ich kann Ihnen sagen, wie Sie wieder zurück in die Stadt kommen, wenn sie dorthin wollen.«
»Ich habe mich nicht verfahren«, lautete meine abwei sende Antwort. Ich wollte mir nicht helfen lassen, egal, wie gut das Angebot auch gemeint war.
Seit David mich verlassen hat, bin ich gezwungen so gut wie alles selbst zu machen, und ich habe nicht vor, das zu ändern. Obwohl ich anfangs meine Zweifel hatte,
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