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Schock

Titel: Schock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter Evan
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fort: »Und nun die Wahrheit! Du bist im Krieg bei der SS gewesen, nicht wahr? Noch schlimmer, du warst bei einer Feldbäckerei.« Immer noch lachend, setzte er abermals zu einer Antwort an, stieß dabei jedoch mit dem Ellenbogen an seine Kaffeetasse und verschüttete die Hälfte des Inhalts auf dem Tisch. »Aha«, sagte sie, »sieh da! Es ist also wahr.« Und plötzlich drehte sie sich, vorsichtig das Gleichgewicht haltend, in seinen Armen und küßte ihn auf den Mund.
    Jeden Donnerstag besuchten sie beide ihre Vorlesungen, die um fünf zu Ende waren. Sie tranken Kaffee im Chock Full O' Nuts in der Nähe der Universität und gingen dann zu Kleins Warenhaus; Buddwing stand ungeduldig wartend herum, während Grace nach Gelegenheitskäufen fahndete. Sie kaufte selten viel und nie kostspielige Dinge. Aber sie erklärte ihm, sie sei ein verschwenderisches Leben gewöhnt und dachte auch als Ehefrau eines mittellosen Studenten nicht daran, diese Gewohnheit aufzugeben. Von Kleins aus fuhren sie mit der Untergrundbahn in den Theaterdistrikt, aßen im Automatenrestaurant und sahen sich dann eine Broadwayschau an. Sie bezogen die Eintrittskarten immer per Post, Balkonsitze, um Monate im voraus bestellt, Gesamtpreis Dollar 2.40. Die Schauspieler, die sie auf der Bühne sahen, erinnerten manchmal an hüpfende Flöhe; dennoch genossen sie ihre Donnerstage ungeheuer und betrachteten sie als unentbehrlichen Luxus, der ihnen unwiderruflich zustand. In Wirklichkeit gestatteten sie sich nur sehr wenig Luxus. Nur dann und wann unterbrachen sie die allabendliche Arbeit, gingen zu Addie Vallins an der Sechsundachtzigsten Straße und schwelgten dort in Bananasplits voll reifer Burgunderkirschen und gerösteter Mandeln, sechzig Cents die Portion. Einmal kauften sie eine handgebundene Ausgabe von Shakespeares Werken für achtunddreißig Dollar; ein andermal ließen sie sich von einem Tischler in Greenwich Village für zweiundzwanzig Dollar eine hölzerne Heizkörperverkleidung anfertigen, wie sie den Anblick des riesigen gusseisernen Monstrums in ihrem Wohnzimmer nicht mehr ertrugen. Doch meist lebten sie bescheiden von Buddwings GI-Stipendium und gingen weder seine noch ihre Eltern um Hilfe an. Hätte man sie zu dieser Zeit gefragt, was sie vom Verheiratetsein im Gegensatz zum Unverheiratetsein hielten, so hätten sie beide geantwortet: »Im Grunde ist es dasselbe, nur daß wir zusammen leben. Und das macht Spaß.«
    Lachend versuchte er, den verschütteten Kaffee aufzuwischen, doch er rann zur Tischkante und topfte auf ihren Unterrock.
    »Oh, du Ferkel!« sagte sie und zog den nassen Unterrock hoch. »Da sage ich ihm, daß ich Jüdin bin, und er begießt mich mit einer halben Gallone Kaffee!«
    »Bist du wirklich Jüdin?« fragte er.
    »Natürlich bin ich wirklich Jüdin. Was denn sonst? Ja, ja, wirklich! Was nicht heißen soll, daß ich regelmäßig zur Synagoge ginge. Dieses Jahr gehe ich nicht einmal zu Mutters Sederfest. Aber ich bin Jüdin, auf die gleiche Art, auf die du auch Jude bist. Auf die, genau genommen, auch Adlai Stevenson Jude ist.«
    »Nun, was mich betrifft, so weiß ich es nicht«, sagte Buddwing, »aber Adlai Stevenson ist kein Jude.«
    »Natürlich ist er Jude.«
    »Nein, ich glaube, er ist Protestant. Oder er gehört der Episkopalkirche an.«
    »Was hat das damit zu tun? Nur ein winzig kleiner Prozentsatz des jüdischen Volkes besteht aus Juden. Tatsächlich gibt es eine Menge Juden, die überhaupt nichts Jüdisches an sich haben. Jüdisch zu sein, hat mit Religion, Kultur oder Herkunft nichts zu tun. Harry Truman zum Beispiel ist Jude.«
    »Ah, ich verstehe«, sagte Buddwing. »Ja, gewiß.«
    »Aber sie ist es nicht.«
    »Wer?«
    »Bess Truman.«
    »Nein, natürlich nicht«, sagte Buddwing. »Wenn man es sich recht überlegt, hatten wir nur sehr wenig jüdische Präsidenten.«
    »Ich weiß, ich weiß«, erwiderte sie. »Eigentlich merkwürdig, wenn man sich klarmacht, daß immerhin mehrere Juden die Unabhängigkeitserklärung unterschrieben haben.«
    »Zum Beispiel?«
    »Nun, etwa Benjamin Franklin.«
    »Richtig. Und John Hancock.«
    »Natürlich. Aber hatten wir nicht zu Anfang ein paar jüdische Präsidenten? War George Washington Jude?«
    »Absolut nicht.«
    »Einer von den Adams? Oder Jefferson? Weißt du, wer der erste jüdische Präsident war?«
    »Wer?«
    »Abraham Lincoln.«
    »Genau«, sagte Buddwing.
    »Eisenhower war sicher kein Jude.«
    »Mamie auch nicht.«
    »Und Nixon.«
    »Deshalb verstanden sie sich

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