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Schock

Titel: Schock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter Evan
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sein Tasten nach ihr war eine bloße, wenngleich erwartete Reaktion. Die natürliche Feuchte, die ihm entgegenkam, verwandelte sich in dieser Vorstellung in einen reißenden Strom am Eingang einer dunklen, geheimnisvollen Höhle, die nur darauf wartete, von ihm erkundet zu werden. Ihre Brüste, ihr Bauch, die weiche Innenseite ihrer Schenkel, alles wurde zum Ziel seiner suchenden Hände; die Absicht, sie zu erregen, verflog in seiner eigenen blinden Erregung, die auch auf sie überging. Als er schließlich in sie eindrang, fühlte er nur den Widerstand feuchter Lippen und hinter ihnen geschmolzene Weiche, ein Tunnel, dessen lebende Wände zerfielen; ein Eindringen eben, ja, ein Vorstoß sicherer Kraft in ein nachgebendes, wunderbares Inneres. Aber gerade das fühlte sie nicht. Sie fühlte statt dessen ein Öffnen ihrer selbst, die Bereitschaft, ihn zu empfangen. Sie fühlte zunächst mit bebenden Lippen ein unsicheres, doch unbeugsames Suchen; dann fühlte sie, wie alles in ihr sich drängend bewegte; sie fühlte den übermächtigen Trieb, sich ihm ganz und gar anzuschmiegen, den Trieb, ihn aufzunehmen, einzuhüllen, zu empfangen. Ein Eindringen eines Fremden war es für sie nicht. Sie standen an den entgegengesetzten Enden eines Durchganges und sahen völlig verschiedene Dinge.
    Doch in seinem Eindringen, in der stolzen männlichen Kraft seines Angriffs war auch etwas von der Furcht, eingeschlossen zu werden; er stieß gegen nachgiebige Wände, die bereits nachgegeben hatten, und fühlte sich langsam in ihrer gleitenden Nachgiebigkeit aufgesogen; er würde sich in ihr verlieren, unwiederbringlich, ein Teil ihres feuchten Inneren werden, in ihr zerschmelzen, osmotisch in ihr aufgehen. Ohne die Macht, sie zu bezwingen, ohne die Kraft, sich zurückzuziehen, stieß er blind und unbarmherzig; er wußte: der Augenblick höchster Macht würde zugleich auf unerklärliche Art der Moment seiner tiefsten Schwäche sein. Und auch in ihrer Hingabe, in ihrer hinnehmend weiblichen Fügsamkeit lag etwas von Furcht, die Besinnung ganz und gar zu verlieren: der unausgesprochene, beängstigende Drang, sich vor dieser pochenden, verschlingenden Kraft unbarmherzig pfählen zu lassen, sie zu brauchen und zu missbrauchen, bis zur Plünderung nach schmachvoller Kapitulation, bis zur Zerstörung, zur Niederlage, zur völligen Auflösung – der Drang, überlegen zu spotten, der Drang zur Erniedrigung, zur Entwürdigung, der schließlich das ausgelassene Fest in wirrer, hastender Flucht auseinanderwirbeln würde.
    Und aus der Berührung einander überschneidender, voneinander unabhängiger Aspekte, aus dieser vagen, einander nicht erkennenden Wirrnis von Liebe und Hass, aus einem übermächtigen Trieb, zu befriedigen, selbstlos zu geben, aus dem widerspruchsvollen Bedürfnis, zu wahren und zu versklaven, ergab sich irgendwo, irgendwie ein Augenblick echter Leidenschaft, ein Zusammenprall der Weltsysteme, ein kurzer Augenblick, in dem Buddwing und dieses Mädchen in Wahrheit miteinander verbunden waren, wie sie es einander versprochen hatten. In diesem einzigen Moment ekstatischen Austauschs waren sie ein Körper, ohne Besinnung; eine einzige drängende, urgeschlechtliche Kraft. Sie teilten miteinander ein Gefühl gegenseitigen Mitleids, gegenseitiger Verachtung, ein Gefühl der Schuld, der Erhöhung, der Fürsorge, der Unterordnung, des Reichtums und der Not. In diesem Augenblick umfassten sie einander in völliger Einsamkeit, hörten sie das Echo von Millionen Seufzern, verloren in den dunklen Gängen der Nacht, teilten sie für den winzigen Bruchteil einer Sekunde das Gefühl, einander wahrhaft zu kennen – und dabei hatten sie im Grunde nur erfahren, daß sie beide Menschen waren.

14
    Er setzte sich im Bett auf, grinste und sagte: »Trinken wir Kaffee? Ich meine, hast du Lust, Kaffee zu machen?«
    »Natürlich«, sagte sie heiter. »Ich habe welchen auf dem Herd und brauche ihn nur zu wärmen.«
    Ihm war vergnügt und behaglich zumute; es gefiel ihm, hier bei diesem Mädchen zu sein, vor dem Regen geschützt, der an der Fensterscheibe herunterrann und draußen auf die Straße prasselte. Das Mädchen glitt mit einer anmutigen Bewegung aus dem Bett und richtete sich auf; ihr halber Unterrock hing über einem Stuhl. Sie zog ihn flink an und ging dann zum Gasherd in der Küche. Er beobachtete, wie sie ein Streichholz anriss. Sie beugte sich über die Flamme, die dem Brenner entströmte. An ihrer Haltung war etwas, das ihn erheiterte; der

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