Schock
die eines Morgens aus dem Bad gekommen war, Buddwing geweckt und mit der ihr eigenen Mischung von Unschuld und Aufrichtigkeit gesagt hatte: »Es ist wegen des Pessars.«
»Was ist?« hatte er gesagt. »Was?«
»Unser eigenes Bad. Draußen im Flur wäre es doch sehr peinlich.«
»Was wäre peinlich?« hatte Buddwing schläfrig gefragt.
»Sich draußen im Flur ein Pessar einzusetzen.«
»Ach so«, hatte er gesagt und sich die Augen gerieben.
Ihr Brautbett war die Doppelcouch, die sie an der Vierunddreißigsten Straße gekauft hatten und für die sie immer noch Raten abzahlten. Der Mechanismus der Ausziehmatratze war an dem schweren gepolsterten Couchrahmen festgeschraubt; als sie sich eines Nachts besonders leidenschaftlich liebten, brach der Kopf der Schraube ab. Zwar blieb der Schaft im Rahmen stecken, aber die Matratze sackte ungefähr fünfzehn Zentimeter tiefer, als sie normalerweise liegen sollte. Am anderen Morgen befestigte Buddwing den abgebrochenen Schraubenkopf mit Klebeband am Rahmen und in der metallenen Buchse, wo er wie durch ein Wunder die Matratze hielt, wenn auch einigermaßen schief. Grace ging in das Geschäft an der Vierunddreißigsten Straße, um die defekte Couch zu reklamieren, doch sie tat es in so strahlender Laune, daß niemand kam, um den Schaden zu beheben. Er war sicher: in ihren Augen hatte das Bett Persönlichkeit gewonnen, Identität – all das gehörte nun einmal zum Verheiratetsein, wie das Kaffeekochen auf eigenem Herd. Er sagte es ihr eines Morgens, als sie sich im Badezimmer wusch. Sie antwortete hinter der verschlossenen Tür: »Und was macht's? Wir sagen einfach allen unseren Freunden, daß unsere Ehe von einer mit Klebeband geflickten Schraube zusammengehalten wird.« Buddwing lachte laut auf, doch hinter der Tür blieb es still. Er setzte sich an den Küchentisch, schenkte sich Kaffee ein und sagte dann: »Weißt du, daß du da etwas sehr Komisches gesagt hast?«
»Natürlich«, erwiderte sie. »Warum hätte ich es sonst gesagt?«
»Das kann man bei dir nie wissen.«
»Ha! Ich stecke voller Geheimnisse.«
»Ich weiß.«
»Ja, ja«, sagte sie und öffnete die Tür.
Sie kam an den Tisch und beobachtete, wie er sich mit Sahne und Zucker bediente. Dann setzte er die Tasse mit einer gezierten Bewegung an die Lippen, den kleinen Finger ausgestreckt, mit dem Ausdruck eines gelangweilten, selbstbewussten englischen Lords, der in tadelloser Haltung im Pfarrgarten seinen Tee nimmt; daß er nackt war, schien ihm überhaupt nicht aufzufallen. »Ah!« sagte er schmatzend. »Vorzüglich. Ein ganz vorzüglicher Kaffee!«
»Schönen Dank.«
»Trinkst du nicht mit?«
»Ich sehe dir zu.«
»Und?«
»Nichts. Ich liebe dich, das ist alles.« Sie machte eine kleine Bewegung, als durchriesele sie ein ungewollter Freudenschauer.
»Mach das noch mal«, sagte er.
»Was habe ich denn gemacht?«
»Ich weiß nicht. So eine Art Raupenbewegung.« Er versuchte, sie nachzuahmen.
»Etwa so?« fragte sie, tat es noch einmal und lachte.
»Ich mag das, wenn du lachst.«
»Ich lache nicht oft genug«, sagte sie. »Gewöhnlich bin ich sehr ernst. Vielleicht liegt es an meiner russischen Herkunft. Weißt du, meine Eltern sind russische Juden – beide.«
»Daß du Jüdin bist, wußte ich nicht.«
»Bin ich aber.«
»Wirklich?«
»Sicher doch. Was sonst? Sollte ich etwa versuchen, für eine Jüdin zu gelten, wenn ich es nicht wäre?«
»Du siehst aber nicht jüdisch aus«, sagte er.
»Ach ja«, erwiderte sie. »Kennst du den Witz vom chinesischen Rabbi?«
»Ja«, sagte er lächelnd. »Trotzdem fand ich bisher, du siehst wie eine Italienerin aus.«
»Wer? Ich? Eine Italienerin – mit so blondem Haar?«
»Norditaliener haben blondes Haar.«
»Ja – trotzdem. Sieh doch nur mein Gesicht. Ein ausgesprochen ehrbares Judenmädchengesicht, wie du es an jedem Wochentag inclusive sonntags auf dem New Avenue-Express finden kannst. Wenn auch gewöhnlich mit blauen Augen. Das ist der einzige Unterschied.«
»Ich finde trotzdem, daß du wie eine Italienerin aussiehst.«
» No , non sono italiana «, sagte sie. »Tatsache ist, daß man mich gewöhnlich für eine Irin hält. Dabei bin ich, was man eine jiddische Shiksa nennt.« Sie fuhr plötzlich auf ihrem Stuhl herum und fiel ihm in gespielter Verzweiflung in die Arme, den Handrücken auf die Stirn gepresst. »Sag jetzt nichts«, sagte sie. »Zwischen uns ist alles aus, nicht wahr?« Er lachte und wollte ihr gerade antworten, da fuhr sie
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