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Schock

Titel: Schock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter Evan
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der Welt von heute, dann ist es das. Die Kritiker. Sie verweigern dem Schriftsteller den einzigen Luxus, auf den er von jeher ein Anrecht gehabt hat.«
    »Und das wäre?«
    »Das Recht zum Misserfolg. Nimmt man ihm das, nimmt man ihm auch den Mut zum Wagnis. Wenn hierzulande ein Mann ein schlechtes Buch schreibt, dann benehmen sich die Kritiker, als hätten sie ihn dabei ertappt, daß er in einem überfüllten Wagen der Untergrundbahn seine Geschlechtsteile zeigt.«
    »Was nur ein Vergehen wäre«, sagte Harris.
    »Aber ich glaube nun einmal, daß auch ein schlechtes Buch für den Autor wesentlich ist.«
    »Sicher«, stimmte Harris zu. »Ich wollte nur darauf hinweisen, daß es nicht unbedingt ein Verbrechen zu sein braucht.«
    »Literaturkritiker sind sämtlich nicht zum Zuge gekommene Neger«, sagte Hank.
    »Schriftsteller sind sämtlich nicht zum Zuge gekommene Schauspieler«, sagte Murphy.
    »Anwälte sind sämtlich nicht zum Zuge gekommene Kraftfahrer«, sagte der Chauffeur.
    »Die ganze Welt ist nicht zum Zuge gekommen«, sagte Grace. »Keiner läßt den anderen in Ruhe.«
    »Ich will Ihnen etwas sagen«, erwiderte Hank. »Ich will von Ihnen gar nicht in Ruhe gelassen werden; am liebsten würde ich Ihre Tochter heiraten.«
    »Wenn es Ihnen damit ernst ist«, sagte Mike, »könnten Sie meine Tochter noch heute haben. Vorausgesetzt, daß ich eine hätte.«
    »Natürlich ist es mir ernst damit«, sagte Hank. »Wollen Sie wissen, was ich unter Gleichberechtigung verstehe? Gleichberechtigung heißt für mich, daß ich ein Mann bin wie Sie. Und wenn ich das bin, dann verbitte ich mir, daß mir andere Leute sagen, wen ich heiraten kann oder nicht. Ein Neger, der nach Gleichberechtigung schreit und dann behauptet, ihm läge nichts daran, Ihre Tochter oder seine Tochter oder wessen Tochter auch immer zu heiraten, kommt mir vor wie einer, der als Mann für voll genommen werden möchte und gleichzeitig sagt, daß er keinen Wert darauf legt.«
    »Völlig richtig«, sagte Harris. »Auch das ist eine Frage des Sex.«
    »Ach was, Sex«, sagte Hank. »Es ist eine Frage der Identität.«
    »Ich finde Harry Belafonte ausgesprochen sexy«, sagte Grace.
    »Das wäre Ihnen vor fünfzig Jahren noch nicht eingefallen.«
    »Ich halte auch Floyd Patterson für ausgesprochen sexy.«
    »Sie reden von zwei netten, ungefährlichen, friedfertigen Negern, die akzeptiert werden, weil sie sauber sind, gut aussehen und das darstellen, was ein Neger nach Ansicht der Weißen überhaupt sein sollte – nämlich ein weißer Mann. An dem Tag, an dem Sie Sonny Liston für sexy halten, an dem Tag hat sich der Neger in Amerika durchgesetzt. Wissen Sie, was mir an dem ganzen Gerede um die Bürgerrechte so komisch vorkommt …«
    »Hat jemand Lust, ›Wer ist Jude?‹ zu spielen?« fragte Grace.
    »Robert Mitchum ist Jude«, sagte Murphy.
    »Das Komische an dem ganzen verzwickten Problem«, fuhr Hank fort, »ist, daß den meisten weißen Männern die Vorstellung, mit einem farbigen Mädchen im Bett zu liegen, so leicht fällt; jedoch scheinen sie sich eine Blonde mit einem schwarzen Mann im Bett einfach nicht vorstellen zu können. Gerade an diesem Punkt aber stellt sich die Frage der Identität, und gerade deshalb würde ich Ihre Tochter heiraten wollen. Was glauben Sie denn, weshalb ich mit Ihnen zur Schule gehen will? Und warum bemühe ich mich um das Stimmrecht? Weil es mir darum geht, so viel Macht auszuüben wie Sie! Mir geht es nicht darum, ein Bürger zu sein – zum Teufel, das bin ich schon, zweitklassig oder nicht. Ich will ein Bürger sein, der Macht hat, der das Recht hat, fünfhunderttausend Dollar zu verdienen; ich will einen schwarzen Cadillac und eine Blonde am Arm, wenn mir danach ist, ich will meinen Namen in der Zeitung lesen und mindestens drei Lakaien um mich haben, die mir jeden Tag aufs neue versichern, daß ich ein großer Mann bin. Mir geht es um das Recht, der zu sein, der ich sein möchte. Das ist alles.«
    »Kommt«, sagte Grace, »spielen wir ›Wer ist Jude?‹«
    »Anne Bancroft ist Jüdin«, sagte Murphy.
    »Richter Learned Hand ist Jude«, sagte Harris.
    »John Updike ist keiner«, sagte Mike.
    »Und was zum Teufel bin ich?« fragte Buddwing plötzlich. Alle drehten sich nach ihm um.
    »Was?« fragte der Fahrer.
    »Nichts«, erwiderte Buddwing. »Nichts.«
    Plötzlich sehr verwirrt, verkroch er sich in die Ecke des Wagens. Um ihn herum lachte alles, während ein Name nach dem anderen fiel – er ist Jude, sie ist es

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