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Schock

Titel: Schock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter Evan
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ja?«
    »Mister«, sagte der Fahrer mit unendlicher Geduld, »ich fahre so schnell, wie es die Vorschrift erlaubt. Zahlen Sie die Strafe, wenn ich wegen überhöhter Geschwindigkeit dran bin?«
    »Ja«, sagte Buddwing sofort; er wußte, daß man den Fahrer kaum wegen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit belangen würde; er wußte außerdem, daß seine mündliche Zusicherung kaum bindend war, käme die Sache je vor Gericht. »Ja, ich zahle die Strafe. Und nun machen Sie schon, bitte!«
    »Alle wollen die Strafe zahlen«, sagte der Fahrer weise, »aber nur, bis es soweit ist und Strafe gezahlt werden muß. Dann hat kein Mensch mehr Lust, etwas zu zahlen.«
    »Ich möchte nicht, daß wir den Wagen da vorn verlieren. Es ist wichtig für mich.«
    »Für mich ist wichtig, daß ich mit der Polizei in dieser verdammten Stadt keine Scherereien bekomme«, sagte der Fahrer. »Außerdem dürfen andere Fahrer auch nicht schneller fahren als ich. Machen Sie sich's also bequem, wie's auf dem Schild steht, und überlassen Sie uns das Fahren, okay?«
    »Schön, aber lassen Sie den Wagen nicht entwischen«, sagte Buddwing, immer noch nach vorn gelehnt.
    »Ja, ja, ich begreifs allmählich«, sagte der Fahrer. »Sie möchten, daß ich dem da vorn auf den Fersen bleibe, richtig?«
    »Genau.«
    »Begriffen. Machen Sie sich keine Sorgen.«
    Doch Buddwing machte sich Sorgen. In seinem Kopf wirbelten hundert Gedanken, wer war das Mädchen im Taxi da vorn, er hatte sie Doris genannt, wer war Doris, woher kannte er sie, wieviel würde es kosten, sie mit tickender Taxameteruhr durch halb New York zu verfolgen, waren es schon fünfundvierzig Cents, wieviel Cents hatte er noch, Doris, wer war sie, wer?
    »Also gibt es denn solche Blödlinge? Haben Sie das gesehen?« sagte der Fahrer plötzlich. Er drehte den Kopf zum Fenster und rief: »Nun entschließen Sie sich schon, Sie Idiot!« Dann riß er das Steuer scharf zur Seite und kollidierte fast mit einem von rechts heranrollenden Lieferwagen. »Daß so etwas ans Steuer darf!« knurrte er. »Diese Wochenendfahrer bringen den ganzen Verkehr durcheinander – als ob das noch nötig wäre. Menschenskind, verrückt muß man sein, heute noch ein Taxi zu fahren, lassen Sie sich's gesagt sein. Wo will die Dame da übrigens hin?«
    »Welche Dame?«
    »Die im Wagen da vorn. Ist doch eine Dame, nicht wahr?« Der Fahrer zuckte die Achseln. »Warum sollten Sie sich sonst so aufregen? Neulich hatte ich hier eine blonde Figur drin – stolpert mir um zwei Uhr nachmittags sternhagelvoll in den Wagen und will, daß ich sie nach Oyster Bay bringe. Ahnen Sie, wo Oyster Bay liegt? Feudale Gegend auf Long Island, lauter stinkfeine Leute. Trägt um zwei Uhr mittags ein schwarzes Cocktailkleid, riecht wie eine Bourbonfabrik und will, daß ich sie nach Oyster Bay fahre. ›Wohin in Oyster Bay, meine Dame?‹ sage ich. ›Ans Wasser‹, sagt sie. ›Ja, aber wo ans Wasser?‹ sage ich, und sie antwortet: ›Soll ich mir etwa Ihre Nummer notieren?‹ Unsere Nummern wollen sich die Leute bei jeder Gelegenheit notieren. Irgendwo muß mal jemand geschrieben haben, das Nummernotieren wäre die einzige Möglichkeit, New Yorker Taxifahrern bange zu machen. ›Notieren Sie nur meine Nummer‹, sage ich ihr. ›Wenn Sie meine Nummer wissen wollen, nur weil ich frage, wohin Sie in Oyster Bay wollen, was ohnehin schon eine Überlandfahrt ist, für die Sie Überlandtarif zahlen, dann notieren Sie nur meine Nummer. Aber vielleicht sind Sie auch vernünftig, beruhigen sich da hinten, wie's auf dem Schild steht, und geben mir Ihre Adresse in Oyster Bay. Dann könnten wir beide eine nette Fahrt haben; um diese Zeit ist der Verkehr nicht allzu dick.‹ Also, sie hat sich meine Nummer nicht notiert. Statt dessen macht sie sich da hinten in aller Ruhe breit, ohne mir die Adresse zu geben – wie soll ich wissen, daß sie auf einem großen Landsitz mit Tennisplätzen und Swimmingpool lebt, der keine Adresse hat, zumindest keine Hausnummer; nur einen Briefkasten an einer Straße am Wasser, wie sie sagt. Aber sie macht sich's bequem da hinten, fragen Sie mich nur nicht, wie, und dann fängt sie auch noch an, ausgesprochen unfeine Gesänge zu grölen, ›Minnie the Mermaid‹ und dergleichen, mit einer genauso unfeinen, tiefen, besoffenen Stimme, und ich muß mir das im Spiegel ansehen, rauf und runter – ich schwöre Ihnen, ich hätte fast viermal den Wagen zu Bruch gefahren. Mann, das war ein Nachmittag! In diesem Beruf muß man

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