Schockstarre
glatt?«
»Nicht die Bohne«, erwiderte Katinka und winkte Sabine, die die Tür von außen schloss. »Sagen Sie mir bitte gleich, was los ist.«
Er drückte ihr die Hand, hielt sie einen Augenblick lang fest und sagte sinnend:
»Ich hätte Ihnen zu Weihnachten Handschuhe schenken sollen.«
»Ich habe Handschuhe«, grinste Katinka. »Bloß helfen die mir leider gar nichts. Kalt ist kalt. Wer ist erschossen worden?«
Hardo setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Ein vertrocknetes Adventsgesteck bröselte einen Stapel Papiere mit Nadeln voll. Er wies auf die Handakte vor sich und sagte:
»Ich bekam den Anruf um kurz nach sieben. Die Coburger Kollegen wurden alarmiert, weil ein Spaziergänger, ein Hundeliebhaber, heute gegen 4 Uhr morgens einen Toten im Hofgarten in Coburg fand. Der Hofgarten ist eine ausgedehnte Parkanlage zwischen der Veste Coburg und der Stadt. Kennen Sie Coburg?«
»Nicht gut«, gab Katinka zu. »Um vier war der also tot?«
»Ja, wahrscheinlich gerade mal eine Stunde. So, wie die Spuren aussehen, muss der Mörder weiter oben am Hang gewartet haben. Er hat aus großer Distanz geschossen, das Opfer am Arm getroffen. Der Mann stürzte, der Mörder ging auf ihn zu und schoss ein zweites Mal aus nächster Nähe.«
»O Mann.«
Katinka war bei jedem neuen Mordfall angewidert und schockiert von der unmenschlichen Brutalität, aber ein Nahschuss erforderte besondere Kaltblütigkeit. Das hier klang nach Hinrichtung.
»Und meine Pistole?«
»Der Täter warf sie in ein Mausoleum, nicht sehr weit vom Ort des Gemetzels entfernt. Hier«, er blätterte in seinen Papieren, »ein Herzogspaar fand dort seine letzte Ruhestätte. Herzog Franz Friedrich Anton und Herzogin Auguste Caroline Sophie.«
Uff, dachte Katinka. Namen sind das. Laut sagte sie:
»Von wegen letzte Ruhe.«
»Der Mörder hatte jedenfalls nicht den vollen Durchblick«, machte Hardo weiter. »Er hinterließ in dem frischen Schnee eine so deutliche Spur, dass die Kollegen direkt zum Fundort der Waffe geführt wurden.«
»Das weist auf eine Affekthandlung hin«, kombinierte Katinka. »Es sieht ungeplant aus. Hilflos, als sei der Täter von seiner Mordabsicht überrollt worden.«
»Exakt«, lobte Hardo. Wieder nistete ein kurzes Lächeln in seinem Mundwinkel. »Dagegen spricht aber …«
»…dass er eine gestohlene Waffe benutzte«, vollendete Katinka. »Das riecht nach Plan, nach Vorsatz.«
»Es sei denn, der Tote führte die Waffe mit sich, der Mörder nahm sie ihm im Streit ab.«
»Diese Variante kann es nicht sein, oder? Sonst hätten die Spuren anders ausgesehen.«
Hardo nickte.
»Seltsam«, sagte Katinka. »Nach der Tat wirft er die Waffe weg, ein Stück vom Tatort entfernt, seine Spuren verwischt er aber nicht. Also hätte er die Waffe doch gleich neben der Leiche liegen lassen können.«
»Wie man es auch dreht und wendet«, sagte Hardo, »es sieht verzwickt und unlogisch aus. Man könnte allerdings auch annehmen, dass der Täter gar kein Interesse daran hatte, die Tatwaffe effektiv verschwinden zu lassen. Die Frage wäre dann, warum nicht. Ist er so sicher, nicht entdeckt zu werden? Oder ist es ihm einfach egal?«
»Wer ist der Tote?«, fragte Katinka.
»Frank Mendel, Werbetexter. 48 Jahre alt, verheiratet, drei Kinder.«
»Was macht der nachts in einem Park?«
»Wieder eine Frage, die im Augenblick unbeantwortet bleibt. Gegen vier wurde er gefunden. Die Kollegen trafen wenig später ein. Der Tote war noch warm. Bei den Temperaturen kann er nicht lange tot gewesen sein. Schon bei Zimmertemperatur kühlt ein toter Körper in etwa ein Grad pro Stunde ab. In der Nacht hatte es ungefähr fünf Grad minus. Ich bin kein Mediziner, aber ich schätze, länger als eine halbe Stunde war der Mord nicht her, als unser Hundebesitzer vorbeikam.«
»Hat er keine Schüsse gehört?« Es war meine Waffe, dachte Katinka. O mein Gott, es war meine Waffe.
Hardo blickte in seine Akten.
»Nein. Steht nichts da. Katinka«, sagte er und faltete die Hände auf den Papieren, »wo waren Sie heute Nacht?«
»Zu Hause. Mit Tom. Er kam gegen acht. Wir trafen uns, als er aus der Fränkischen Schweiz und ich … aus der Stadt zurückkam.«
»Ich habe es geahnt. Sie waren nochmal unterwegs?«
»Ich musste in den Rio-Club und checken, was da los war.«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, ich schicke einen Kollegen hin!«
Entschuldigend hob Katinka die Hände.
»Ach, ach«, seufzte Hardo. »Man hat’s nicht leicht.«
»Aber leicht hat’s einen«,
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