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Schockstarre

Schockstarre

Titel: Schockstarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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Telefonnummer.«
    Ich wollte mich eigentlich entschuldigen, dachte Ka-tinka verzweifelt. Unfähig, nachzugeben, sah sie ihm zu, wie er ein paar Ziffern auf einen Notizzettel schrieb und ihn ihr hinhielt.
    »Viel Erfolg.«
    Er wandte sich wieder seinen Aufzeichnungen zu.
     

6. Durchschuss
    »Das ist das Opfer«, sagte Hauptkommissar Wolf Schilling. »Frank Mendel.« Er nickte dem Mann im grünen Kittel zu. »Würden Sie, Dr. Weigand …?«
    Katinka wappnete sich. Der Grüne zog das Laken weg. Die Leiche kam zum Vorschein, und Katinka fand den Anblick weniger schlimm als befürchtet. Tote, deren Gesichter und Köpfe unversehrt waren, schreckten sie nicht. Anders verhielt es sich mit Leuten, denen der Schädel zertrümmert oder die Gesichtshaut verätzt worden war. Kahlgeschorene Köpfe mit tiefen Wunden schockierten sie. Auch Brandwunden sahen schauderhaft aus. Frank Mendels im gleißenden Licht transparent schimmerndes Gesicht machte einen friedlichen Eindruck. Kurze, blonde, an den Schläfen schon weiße Haare klebten an seinem Kopf, über der Stirn spärlich gesät. Seine Wangenknochen zeichneten sich auffallend ab. Der Unterkiefer hing ein bisschen nach unten, was seiner Miene etwas Verblüfftes verlieh. Das heißt nichts, mahnte sich Katinka. Das ist normal. Sie wusste, dass mit dem Eintritt des Todes sämtliche Muskeln erschlafften, wodurch zuweilen verkrampft aussehende, aber auch spleenige Gesichtsausdrücke entstanden.
    »Hier«, sagte Dr. Weigand und zeigte mit einem Filzstift auf die Brust des Toten. »Das war der tödliche Schuss, abgefeuert aus nächster Nähe. Das Opfer trug den Mantel offen über dem Hemd. Kein Pullover, nicht mal ein Unterhemd, und das bei der Kälte. Auf dem Oberhemd haben wir den Abstreifring festgestellt, Sie wissen, was das ist?«
    »Klar«, sagte Katinka. Ein Projektil nahm Ölreste, Schmutz- und Schmauchrückstände aus dem Laufinneren einer Pistole mit und streifte sie beim Eindringen in die Haut ab. Durchschlug das Geschoss zuerst ein Kleidungsstück, fand sich dort der Abstreifring.
    »Das Projektil traf nicht ganz senkrecht auf. Deswegen haben wir einen eher ovalen Einschussdefekt. Im Schusskanal fanden wir Textilfasern vom Oberhemd, das ist logisch. Sehen Sie hier den breiten, oval verzerrten Ring? Das ist der Kontusionssaum. Er entsteht dadurch, dass das Geschoss kleinere Blutgefäße zerreißt oder quetscht.«
    Katinka fror. Nicht der Anblick der Verletzung ließ sie zittern, sondern die Kälte im Seziersaal. Sie war unausgeschlafen und abgekämpft nach der Fahrt über eine eisglatte Bundesstraße in einer Schlange rutschender LKWs und fühlte sich gereizt und zappelig. Sie wünschte, Weigand würde sich beeilen. Den Gedanken daran, dass ihre Waffe den Mann vor ihr auf dem Tisch in den Tod gerissen hatte, versuchte sie in diesem Augenblick zu verdrängen.
    »Klaus, pack mal an!«
    Ein Helfer kam aus dem Nebenraum und drehte mit Dr. Weigand die Leiche zur Seite.
    »Hier sehen Sie die Ausschussöffnung«, erklärte der Arzt. »Wie üblich ist sie größer als die Einschussöffnung. Sie verrät uns, in welchem Winkel der Täter die Waffe hielt.«
    Hauptkommissar Schilling nickte bestätigend. Er trat von einem Bein auf das andere, ruckte am Revers seines Mantels. Alle paar Minuten nahm er seine Lesebrille ab, setzte sie wieder auf, beugte sich über die Leiche, hielt inne, nahm die Brille ab, klappte die Bügel ein und wieder aus, setzte die Brille erneut auf. Seine Unruhe übertrug sich auf Katinka. Sie betrachtete die zerdrückte Haut auf dem Rücken des Opfers. Weigand hatte mit seinem dicken schwarzen Filzstift irgendetwas Unleserliches neben die Ausschussöffnung gekritzelt.
    »Das Geschoss raste durch den linken Lungenflügel, zerriss dabei die Lungenarterie. Der Mann ist relativ schnell verblutet. Bei Verbluten tritt der Tod eigentlich durch den Sauerstoffmangel ein, wenn infolge des Blutverlustes die einzelnen Organe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden. Der Sauerstoff wird von den roten Blutkörperchen transportiert«, fügte er mit einem Blick auf Schilling hinzu. »Der Todeszeitraum liegt zwischen drei und halb vier in der Früh, würde ich sagen.«
    »Aber zunächst ist Mendel angeschossen worden, oder?«, fragte Katinka. Es gefiel ihr nicht, dass ein Mensch namenlos wurde, wenn er als Mordopfer auf dem Arbeitstisch des Rechtsmediziners landete und fortan als ›das Opfer‹, ›der Tote‹ oder ›der Mann‹ geführt wurde.
    »Ganz recht.« Dr.

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