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Schockstarre

Schockstarre

Titel: Schockstarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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alle Ablenkungsmanöver und Unschuldsbezeugungen sinnlos waren.
    »Also. Henryk war gestern Nacht im Rio-Club . Wann ging er?«
    »Ich … habe nicht auf die Uhr geschaut. Er war aber nicht lange da. Vielleicht so kurz nach … 11?«
    Das letzte Wort flüsterte er beinahe.
    »Ging er allein?«
    »Was weiß ich.« Tonio Albert kratzte sich am Hals.
    »Nein!«, sagte Katinka. Sie betrat das nächstbeste Zimmer. »Er ging nicht allein,stimmt’s?«
    Ein zerwühltes Bett, ein Kerzenleuchter, stapelweise Videokassetten und CDs, eine Stereoanlage von den Ausmaßen eines Raumschiffes. Der Subwoofer thronte in der Mitte wie ein apokalyptischer Granitblock.
    »He!« Er kam hinter ihr her. »Ich kenne die Micky Maus nicht. Und außerdem habe ich erst geputzt. Sie haben total dreckige Schuhe.«
    »Er ging nicht allein«, sagte Katinka sanft. »Eine Frau begleitete ihn. Hätten Sie wohl die Freundlichkeit, mir mitzuteilen, wer die Frau war?«
    Tonio Alberts Adamsapfel sprang auf und nieder.
    Katinka setzte sich auf sein Bett und beobachtete ihn. In seinem Hirn griffen Zahnräder ineinander, schlugen Funken, knackten und knirschten. Als er nicht antwortete, stand Katinka auf und ging in das nächste Zimmer.
    »Sind Sie wahnsinnig? Was wollen Sie eigentlich von mir!«
    Er kam ihr nach, angespannt, schwankend zwischen Vorsicht und Wut.
    Katinka lächelte ihn an.
    »Wer war die Frau?«
    Er schnappte sich eine Schachtel Zigaretten, zitterte einen Glimmstängel heraus und zündete ihn sich an.
    »Sie. O.k., Sie waren es. Zufrieden?«
    »Und?«
    »Was und.«
    »Wie ist das eigentlich. Wer konsumiert da was in den Hinterzimmern der Bamberger Kneipen? Wo lagern all die Fläschchen mit farbloser Flüssigkeit und die geschmackfreien Pülverchen?«
    »Der Rio-Club ist sauber!«, empörte er sich. Seine Zigarette glühte hellrot auf. »Wir achten sehr genau darauf. Was die Gäste allerdings einschmeißen, wenn gerade keiner hinsieht …«
    »… können Sie natürlich nicht überblicken.«
    »Woher sollen wir denn wissen, welche Pillen sich die Gäste ins Tonic mixen.«
    Es klingelte an der Haustür.
    »Ich bekomme Besuch. Sie müssen jetzt gehen.«
    Katinka rückte an ihrem Mantel. Nur soviel, dass er das Holster sehen konnte. Dass keine Pistole darin steckte, brauchte er nicht zu wissen.
    »O.k., ja, der Kerl ist mit Ihnen rausgegangen. Sie sind beide einfach durch die Tür marschiert. Aber ich kenne ihn nicht. Nie gesehen. Klar? Was wollen Sie eigentlich von mir! Sie waren doch selbst dabei!«
    »Gegangen?«
    »Ja. Er stand auf und Sie auch und Sie gingen raus.«
    »Ist Ihnen irgendwas aufgefallen?«
    »Nein. Was denn schon? Nein, nichts.«
    Er ging durch den Korridor und riss die Wohnungstür auf. Eine junge Schönheit, trotz der Kälte bauchfrei, schwirrte herein und steuerte eine neue Duftnote bei. Pfirsich, dachte Katinka. Oder Aprikose, irgendwas Sommerliches.
    »Tschüss dann«, sagte Tonio Albert, hielt Katinka die Tür auf.
    »Das war’s fürs Erste«, sagte sie und fing den argwöhnischen Blick des Mädchens auf. »Zudem fehlt mir noch die Adresse von Susanna Heinze.«
    »Fleischstraße. Über dem türkischen Lebensmittelladen.«
    »Und der Name des Kollegen, der heute Dienst hat?«
    »Ronald Bissinger.«
    »Danke«, säuselte Katinka, nickte den beiden zu und trat ins Treppenhaus. Tonio Alberts Abend war gründlich verdorben.
    Draußen wirbelten weiße Tröpfchen durch die eisige Luft. Katinka erfragte Susanna Heinzes Nummer bei der Auskunft. Die Musikerin war nicht zu Hause. Katinka hinterließ eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter und bat um Rückruf. Dankbar trat sie den Heimweg in eine helle und warme Wohnung an. Sie sauste am Klosterbräu vorbei über die Holzbrücke und erinnerte sich an die unheimlichen ›Morde‹ an VW-Käfern * im vergangenen Sommer. Gerade hier hatte einer der aufgespießten Cabrios gestanden, mit einem japanischen Landschwert im Dach. Die Feuchtigkeit auf der Brücke war angefroren. Katinka geriet ins Schleudern, fing sich aber rechtzeitig. Schnell ließ sie die von den Turbinen aufgewühlten, schäumenden Regnitzwellen hinter sich. Ich bin mit Pawlowicz rausgegangen. Gegangen. Ich bin auf meinen zwei Beinen gegangen. Sie nahm den Weg durch den Hain, trat kräftig in die Pedale und spürte mit Schaudern die feinen, immer dichter vom Himmel treibenden Flocken in ihr Gesicht beißen.
     
    Während Katinka noch ihr Fahrrad im Hausflur verstaute, rollte Tom ein. Er winkte ihr zu und bog auf

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