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Schockstarre

Schockstarre

Titel: Schockstarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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aus. Sie hielt inne. Etwas Buntes klemmte hinter dem Heizkörper. Etwas Buntes aus Plastik.
    Katinkas Hände waren gerade schmal genug, um sich hinter dem Heizkörper durchzuschlängeln. Zwischen Zeige- und Mittelfinger fischte sie ein Handy ans Tageslicht.
    Irgendwo am anderen Ende des Korridors ging eine Toilettenspülung. Katinka steckte das Handy zu dem Speicherstift in ihre Tasche und verließ Thurids Büro. Hinter ihr knarrte eine Tür. Ohne sich umzusehen schritt Katinka durch die Gänge bis zum Empfang, nickte Isolde Löbers zu und trat ins Freie.
    Sie wandte sich in Richtung Innenstadt. Ein silbergrauer Mercedes kam ihr entgegen und rauschte vorbei. Sie drehte sich um. Der Wagen bog in die Einfahrt zur Agentur Fenering. Katinka ging ein paar Schritte zurück. Ein Mann stieg aus, stattlich, schlank, Ende fünfzig, die Schläfen silbern, sehr schick gekleidet, aber mit Understatement, anders als Schilling. Er hatte ein Handy zwischen Kinn und Wange eingeklemmt. Während er auf ein Gespräch wartete, legte er einen Mantel über seinen Arm.
    »Na endlich!«, rief er ins Telefon. »Fenering hier. Gut, dass ich Sie so schnell erreiche. Ich bin quasi auf dem Weg zum Flughafen …« Er stürmte zur Tür, sah sich kurz um und ging ins Haus.
    Sieh an, dachte Katinka. Das ist also der Chef.
     

10. Oberstleutnant Benno Lehmann
    Dienstag, 11. 1. 2005, 13:20 Uhr
     
    You must remember this, a kiss is still a kiss …
    Katinka lehnte sich zurück und betrachtete die Ausdrucke neben dem leeren Saftglas. Sie hatte sich für eine Zwischenpause im Café M entschieden, weil die rotschimmernden Wände so einladend warm leuchteten und der Pianist genau die Songs spielte, die ihrem überanstrengten Hirn die nötige Entspannung versprachen.
    »Möchten Sie noch was trinken?«
    »Gern. Einen …«, sie hätte beinahe Cognac gesagt. »Einen Latte Macchiato.«
    … a case of do or die …
    Die Bedienung nickte, und Katinka schickte ihre Gedanken zurück zu den Papieren, die sie vor zwei Stunden an ihrem portablen Drucker im Auto ausgedruckt hatte. Mendels Daten hatte sie von dem Speicherstick auf ihre Festplatte gezogen. Wirklich nützlich, so ein Informatiker als Freund, dachte sie und lächelte verträumt. Tom hatte ihr die mobile Ausrüstung aufgeschwatzt.
    Ohne Zweifel lag Frank Mendels Ghostwriting-Projekt vor ihr: die Erinnerungen des Oberstleutnants Benno Lehmann – und nicht eines Generals, wie Alissa Herbst behauptet hatte – an seinen Afghanistaneinsatz. Das Buch stand kurz vor dem Abschluss. Katinka hatte kein Light-Produkt erwartet und keine Seifenoper, aber die Berichte über militärische Sinnlosigkeiten, florierenden Drogenanbau und das elende Sterben von Bevölkerung und Soldaten ging ihr an die Nieren.
    Ein Briefwechsel Mendels mit einem Verlag in Stuttgart ließ darauf schließen, dass das Mendel-Lehmann-Projekt für die Veröffentlichung im kommenden Herbst vorgesehen war. Nun war sein Autor tot. Womöglich konnte ein Lektor die Fassung straffen und das Manuskript vollenden, ohne dass ein neuer Ghostwriter gewonnen werden musste.
    Die Bedienung brachte den Latte Macchiato, ein schlankes Glas auf einem ovalen Teller. Deutlich waren die drei Schichten zu erkennen: weiße Milch, brauner Kaffee und weiße Schaumkapuze. Schnee, Matsch, Schnee.
    Katinka zog ihr Notizbuch hervor und schlug eine neue Seite auf. Während der Stift gemächlich über das Papier wanderte, Fragen aufschrieb, verwarf und neu formulierte, ordneten sich ihre Gedanken. Katinka strich durch und kritzelte zwischen die Zeilen. Hielt inne und klopfte nachdenklich mit dem Stift an ihre Schneidezähne.
    Angenommen, Mendel bewahrte die Daten zu diesem Projekt nur auf dem Speicherstick auf, den Katinka gefunden und entwendet hatte. Angenommen, Alissa Herbst hatte den Ermittlern von dem angeblichen General erzählt, aber die Polizei hatte seine Identität noch nicht festgestellt. Katinka trank von ihrem Latte. Die drei Schichten schwappten gemächlich hin und her. Mendel mochte bei den Recherchen zu seinem Projekt auf etwas gestoßen sein … auf etwas, das zu veröffentlichen einem anderen schaden konnte. Vielleicht nicht einer einzelnen Person, sondern einer Institution, zum Beispiel der Bundeswehr …
    Katinka erinnerte sich an Hardos Mahnung: Das ist kein Fall für einen allein . Er lag vollkommen richtig. Katinka wusste genau, dass sie die Pflicht hatte, der Kripo Coburg den Speicherstick zu überlassen. Und außerdem Mendels Handy.
    Es war Mendels,

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