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Schockstarre

Schockstarre

Titel: Schockstarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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Bitte, nehmen Sie doch noch Tee.«
    Er griff nach der Kanne, aber seine Hände zitterten so sehr, dass er den Tee neben und nicht in Katinkas Tasse goss.
    »Ich … Entschuldigung.«
    Er rannte beinahe in die Küche und kam mit einem Lappen zurück.
    »Könnten Sie das wegputzen?« Zornig schleuderte er den Lappen auf den Tisch. Katinka begann, ruhig die Teelachen aufzuwischen. Anschließend schenkte sie sich ein. Lehmann beobachtete sie. Zu ihrem Erstaunen lächelte er.
    »Sie sind ein verständnisvoller Mensch. Wie Mendel. Der konnte zuhören. Wie er zuhören konnte, das kann sich niemand vorstellen. Kein Nachbohren, keine Ahas, Hms und so weiter. Er saß auf diesem Sofa, sah mich an und hörte mir zu.«
    Katinka rührte Sahne in ihren Tee und beobachtete die cremigen Wirbel in ihrer Tasse.
    »Posttraumatische Belastungsstörung heißt mein Syndrom. Schöner Name. Störung. Das Leben geht weiter, haben mir viele gesagt. Es ist alles schon irgendwie besser geworden.«
    Lehmann starrte einen Augenblick aus dem Fenster. Dunkelheit wälzte sich über den Ort. Er drehte sich auf dem Absatz um und kam an den Tisch zurück, setzte sich aufs Sofa, sprang wieder auf.
    »Haben Sie Lust, zu meiner Hütte rauszufahren? Ich brauche Luft. Es ist nicht weit, fünf Minuten mit dem Auto, maximal!«
    Katinka folgte ihm in den Flur. Seine Unruhe steckte sie an, ihre Finger flatterten. Lehmann schlüpfte in einen grauen Parka und kniehohe Stiefel. Sein Wagen, ein schmutzverkrusteter Pick-up, parkte in einer Garage neben dem Haus. Katinka kroch auf den Beifahrersitz und rümpfte die Nase.
    »Der Fischgeruch ist penetrant », gab Lehmann zu.
    »Sie sind Angler?«
    »Seit meiner Jugend«, sagte Lehmann stolz, während er über die weiß verschneiten Straßen steuerte. Im Scheinwerferlicht tanzten Schneeklümpchen. »Die einzige Beschäftigung, die mich ruhig macht. Und auch das nicht immer.«
    Der Pick-up wühlte sich durch die beiseite gepflügten weißen Hügel neben der Straße.
    »Hier hinten liegen die Fischteiche. Jetzt sind sie natürlich abgelassen. Eine triste Zeit, so ein Winter.«
    Katinka seufzte. Für sie selbst bedeutete der Winter vor allem blöde Klamotten, Verkehrsbehinderungen, Heizkosten und das ewige Frieren. Lehmann dagegen vermisste Karpfen und Hechte.
    Er fuhr ein gutes Stück weiter auf ein Wäldchen zu.
    »Ich behaupte, es hat mir geholfen, mit Mendel zu reden«, sagte Lehmann, stieg aus und knallte die Tür zu. »Mehr als die psychotherapeutischen Beratungsgespräche.«
    Er stapfte durch den Tiefschnee Richtung Wäldchen. Katinka kam kaum hinter ihm her.
    »Ich habe Mendel vergangenen Donnerstag zuletzt gesehen«, rief Lehmann über die Schulter zurück. Eine Holzhütte tauchte aus der Dunkelheit. Einsam war es hier. Katinkas Zähne klapperten, die Teewärme von vorhin war verpufft. »Eigentlich wollten wir uns erst am Samstag treffen, um die letzten Details zu besprechen. Das Buch ist ja so gut wie fertig. Mendel konnte schreiben. Ich bin kein Mann des Buches. Klar, ich lese ab und zu einen Krimi, aber selber irgendwas zu Papier bringen, das liegt mir nicht. Mendel meinte, es sei ein Handwerk, alles eine Sache der Technik. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das glauben soll.«
    Katinka brannten eine Menge Fragen auf der Zunge, aber sie bremste sie gerade noch ab, bevor sie mit Höchstgeschwindigkeit aus ihrem Mund wollten. Lehmann würde alles erzählen, von selbst. Er schloss die Tür auf.
    »Dann rief er am Donnerstagmorgen an, um den Termin zu verschieben. Er sei schon früher fertig und wollte nur noch einige Kleinigkeiten abklären. Ob ich Zeit hätte, klar, ich hatte. Es war ja Feiertag, meine Frau arbeitete nicht, ich hatte kinderfrei. Mendel und ich trafen uns im Ratskeller in Coburg. Und seitdem habe ich nichts von ihm gehört.«
    Er ließ Katinka herein.
    »Sehen Sie, alles da. Ofen, Feuerholz. Mehr Holz lagere ich hinter dem Haus.« Lehmann machte sich an einem Sicherungskasten zu schaffen und drückte auf einen Schalter. Die Deckenlampe schickte gelbes Licht aus. »Tja, ein Ein-Zimmer-Verschlag«, Lehmann lächelte, »keine Luxussuite.«
    Katinka sah sich um. Da war ein offenes Regal mit Teekanne, Töpfen und Geschirr, Handtüchern, Konservenvorräten und Knäckebrot. Anglerbücher lagen herum. In der Ecke stand ein halb voller Kasten Bier. Katinkas Magen knurrte vehement. Unruhig wartete sie, was kommen würde.
    »Hier habe ich eine kleine Dusche, mit Durchlauferhitzer«, setzte Lehmann seine

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