Schockwelle
Beaver schälte sich ab wie ein Feuerrad an Silvester. Die Motorabdeckung schepperte und klapperte wie ein Burggespenst und drohte jeden Moment davonzufliegen. Dann fraßen die Kolben, und der Motor blieb abrupt stehen, als hätte Pitt die Zündung abgestellt. Er wischte sich das Öl aus den Augen. Soweit er über die bloßliegenden Zylinderköpfe hinweg erkennen konnte, erstreckte sich ringsum ein Meer von Baumwipfeln. Die Beaver wurde gefährlich langsam, drohte jeden Moment abzuschmieren, doch da sie noch auf das Steuer reagierte, versuchte er eine weiche Landung in den Baumwipfeln.
Fast hätte er es geschafft. Doch die Spitze der rechten Tragfläche prallte gegen einen siebzig Meter hohen Riesen-Lebensbaum, so daß die Maschine jählings herumgerissen wurde, abkippte und zwischen die dichtstehenden Stämme stürzte. Die linke Tragfläche verhedderte sich in den Zweigen eines weiteren hohen Lebensbaumes und wurde abgerissen. Die rote Maschine verschwand unter einem dichten Dach aus grünen Kiefernnadeln. Unmittelbar vor der zertrümmerten Maschine ragte der gut einen halben Meter dicke Stumpf einer Föhre auf.
Die Propellernabe hatte sich mitten in den Baum gebohrt, worauf der Stamm umgestürzt war, den Motor aus der Verankerung gerissen und das Heck der Maschine zertrümmert hatte. Das übriggebliebene Cockpit hatte den feuchten Waldboden durchpflügt, ehe es schließlich steckengeblieben war.
Ein paar Minuten lang herrschte Grabesstille am Waldboden.
Pitt saß da wie vom Donner gerührt, unfähig, sich zu bewegen. Benommen starrte er nach vorn, wo einst die Windschutzscheibe gewesen war. Er bemerkte, daß der Motor fehlte, und er fragte sich, wo er geblieben sein mochte. Dann kam er allmählich wieder zur Besinnung, und er drehte sich um und wollte Stokes untersuchen.
Der Mountie bekam einen Hustenanfall, schüttelte dann matt den Kopf, war aber zumindest wieder halbwegs bei Besinnung.
Verständnislos starrte er über das Instrumentenbrett hinweg auf die ins Cockpit hängenden Kiefernzweige. »Wieso sind wir plötzlich mitten im Wald?« murmelte er.
»Sie haben das Beste verschlafen«, versetzte Pitt, während er vorsichtig seine diversen Prellungen betastete. Pitt wußte auch ohne langjähriges Medizinstudium, daß Stokes dem Tode geweiht war, wenn er nicht schleunigst in ein Krankenhaus kam.
Er zog kurzerhand den Reißverschluß der altmodischen Fliegerkombination herunter, knöpfte das Hemd des Mounties auf und tastete nach der Wunde. Links des Brustbeins, knapp unterhalb der Schulter wurde er fündig. Die Wunde war so klein und blutete wenig, daß er sie fast übersehen hätte. Die kann nicht von einer Kugel stammen, sagte er sich sofort. Vorsichtig untersuchte er sie und stieß prompt auf einen scharfen Metallsplitter. Verdutzt schaute er zum Fensterrahmen. Er war bis zur Unkenntlichkeit zerbeult. Offenbar hatte eins der Geschosse ein Stück Aluminium abgerissen, das Stokes’ Brust getroffen und sich in den linken Lungenflügel gebohrt hatte.
Einen Zentimeter weiter, und es hätte das Herz erwischt.
Stokes hustete und spie einen Klumpen geronnenen Blutes aus dem Fenster. »Komisch«, sagte er. »Ich hab’ immer gedacht, daß ich eines Tages bei einer Verfolgungsjagd auf dem Highway umkomme oder in einer dunklen Gasse.«
»Pech gehabt.«
»Sieht es sehr schlimm aus?«
»Ein Metallsplitter in der Lunge«, erklärte Pitt. »Haben Sie Schmerzen?«
»Eine Art dumpfes Pochen, mehr nicht.«
Pitt löste sich langsam aus seinem Sitz und trat hinter Stokes.
»Halten Sie durch. Ich bringe Sie hier raus.«
Zehn Minuten später hatte Pitt die zerbeulte Einstiegsluke aufgetreten. Danach trug er Stokes vorsichtig hinaus und ließ ihn so sanft wie möglich auf dem Waldboden nieder. Es fiel ihm nicht leicht, und als er es endlich geschafft hatte, ließ er sich keuchend und um Atem ringend neben dem Mountie ins Moos sinken. Stokes hatte mehrmals schmerzhaft das Gesicht verzogen, aber nicht ein einziges Mal gestöhnt. Jetzt schloß er die Augen, als verlöre er wieder die Besinnung.
Pitt ohrfeigte ihn, bis er wieder zu sich kam. »Laß mich ja nicht hängen, Mann. Ich brauche dich noch. Du mußt mir den Weg zu Mason Broadmoors Dorf weisen.«
Stokes schlug die Augen auf und schaute Pitt fragend an, als wäre ihm gerade etwas eingefallen. »Der Hubschrauber«, stieß er hustend aus. »Was ist aus den Mistkerlen geworden, die uns beschossen haben?«
Pitt blickte zu der Rauchwolke, die hinter ihnen aus dem
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