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Schockwelle

Schockwelle

Titel: Schockwelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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Wald aufstieg, und grinste. »Die sind jetzt Grillfleisch.«
21
    Pitt hatte erwartet, daß er sich im Januar in derart nördlichen Breiten durch meterhoch verschneites Gelände vorankämpfen müßte.
    Doch nur eine dünne Schneeschicht bedeckte den Boden, und die war seit dem letzten Unwetter größtenteils schon wieder weggeschmolzen. Er zog Stokes auf einem improvisierten Travois hinter sich her, einer Vorrichtung, mit der einst die amerikanischen Prärieindianer ihre Lasten befördert hatten.
    Zurücklassen konnte er ihn nicht, und über die Schultern laden wollte er ihn sich nicht, weil er dabei innerlich hätte verbluten können. Also band er mit Hilfe der Frachtsicherungsriemen, die er aus dem Flugzeugwrack organisiert hatte, zwei abgestorbene Äste zusammen, spannte eine Plane darüber, befestigte oben ein aus den Sitzgurten angefertigtes Zuggeschirr und schnallte Stokes auf dem primitiven Zugschlitten fest. Dann warf er sich das Geschirr über und schleppte den verletzten Mountie durch die Wälder. Stunde um Stunde verstrich, die Sonne ging unter, und die Nacht brach an, und immer weiter kämpfte er sich durch die Dunkelheit in Richtung Norden, orientierte sich anhand des Kompasses, den er aus dem Instrumentenbrett der Maschine ausgebaut hatte – ein Notbehelf, auf den er vor Jahren schon einmal zurückgegriffen hatte, als er quer durch die Sahara hatte marschieren müssen.
    Etwa alle zehn Minuten fragte er Stokes: »Sind Sie noch da?«
    »Ich bin wach«, erwiderte der Mountie mit schwacher Stimme.
    »Vor mir liegt ein seichter Fluß, der nach Westen fließt.«
    »Dann sind wir am Wolf Creek. Sie müssen ihn überqueren und sich nach Nordwesten halten.«
    »Wie weit ist es noch bis Broadmoors Dorf?«
    »Zwei, drei Kilometer«, murmelte Stokes mühsam.
    »Reden Sie gefälligst mit mir, verstanden?«
    »Sie klingen wie meine Frau.«
    »Sie sind verheiratet?«
    »Seit zehn Jahren, mit einer großartigen Frau. Wir haben fünf Kinder.«
    Pitt rückte das Zuggeschirr zurecht, das ihm in die Brust geschnitten hatte, und schleppte Stokes durch den Fluß.
    Nachdem er sich einen Kilometer weit durchs Unterholz geschlagen hatte, stieß er auf einen kaum sichtbaren Pfad, der genau in die Richtung führte, in die er wollte. Er war teilweise zugewachsen, aber man kam verhältnismäßig gut voran – nach dem mühsamen Marsch durch den dichten, mit allerlei Gestrüpp zugewucherten Wald war das ein Geschenk des Himmels.
    Zweimal dachte er, er wäre vom Weg abgekommen, doch er ging einfach in dieselbe Richtung weiter und stieß nach etlichen Metern wieder auf den Pfad. Trotz der Eiseskälte schwitzte er vor Anstrengung. Er durfte sich keine Ruhepause gönnen. Wenn Stokes seine Frau und die fünf Kinder wiedersehen wollte, mußte Pitt weitermarschieren. Er führte ein etwas einseitiges Gespräch mit dem Mountie, da er unter allen Umständen verhindern wollte, daß er durch den Wundschock ins Koma fiel.
    Pitt war so damit beschäftigt, einen Fuß vor den anderen zu setzen und sich weiterzuschleppen, daß er nichts anderes mehr wahrnahm.
    Stokes flüsterte etwas, aber Pitt konnte ihn nicht verstehen. Er drehte sich um, spitzte die Ohren und blieb stehen. »Soll ich anhalten?« fragte Pitt.
    »Riechen Sie das…?« Stokes konnte kaum noch flüstern.
    »Was?«
    »Rauch.«
    Dann roch es auch Pitt. Er atmete tief durch. Irgendwo vor ihnen brannte ein Holzfeuer. Er war müde, hundemüde, aber er legte sich wieder ins Geschirr und torkelte weiter. Kurz darauf hörte er einen kleinen Benzinmotor knattern – eine Kettensäge.
    Der Holzgeruch wurde immer stärker, und dann sah er den Rauch, der in der Morgendämmerung über den Baumwipfeln aufstieg. Sein Herz hämmerte vor Anstrengung, aber er dachte nicht daran, so kurz vor dem Ziel aufzugeben.
    Die Sonne ging auf, blieb dann aber hinter dunkelgrauen Wolken verborgen. Ein leichter Nieselregen setzte ein, als er auf eine Lichtung taumelte und das Meer vor sich liegen sah, dazu einen kleinen Hafen und eine Reihe von Blockhäusern mit Wellblechdächern.
    Rauch stieg aus den gemauerten Schornsteinen auf. Hohe Totempfähle mit kunstvoll geschnitzten Tier- und Menschengestalten ragten da und dort auf. Etliche Fischerboote, deren Crews an den Motoren herumbastelten oder die Netze flickten, schaukelten sanft neben einem Schwimmdock in der Dünung. In einem offenen Schuppen standen mehrere Kinder und sahen einem Mann zu, der einen mächtigen Stamm mit einer Kettensäge bearbeitete. Zwei Frauen

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