Schockwelle
war mal auf Fidschi«, sagte sie und schüttelte ihre Haare aus. »Dort hab’ ich gesehen, wie eine die Windschutzscheibe von einem geparkten Auto zertrümmert hat.«
Sie kam Pitt wie ein kleines Mädchen vor, das sich verlaufen hat, ziellos durch den Wald irrt und jegliche Hoffnung aufgegeben hat, jemals wieder nach Hause zu finden. Er wünschte, er könnte ihr Trost spenden, irgend etwas für sie tun.
Aber hier auf diesem gottverfluchten Meer konnte niemand auch nur das geringste für sie tun. Er war erbittert, einerseits voller Hilfsbereitschaft, andererseits völlig machtlos.
»Meinst du nicht, du solltest mehr nach Steuerbord halten?« fragte sie mit matter Stimme.
»Nach Steuerbord?«
Benommen starrte sie ihn an. »Ja. Du willst doch nicht etwa an der Insel vorbeisegeln?«
Pitt kniff die Augen zusammen. Langsam drehte er sich um und blickte zurück. Nachdem er fast sechzehn Tage lang anhand des Sonnenstands ihre Position bestimmt hatte und ständig auf das gleißende Wasser hinausgeblickt hatte, waren seine Augen so gereizt, daß er nur ein paar Sekunden lang in die Ferne spähen konnte, ehe er sie wieder schließen mußte. Er warf einen kurzen Blick voraus, sah aber nur blaugrüne Wellen.
Er drehte sich wieder um. »Wir können das Boot nicht mehr steuern«, erklärte er leise. »Ich habe das Segel eingeholt und unter dem Rumpf angebracht, um das Leck abzudichten.«
»Ach bitte«, flehte sie. »Sie ist so nah. Wir können doch kurz landen und unsere Füße wenigstens ein paar Minuten auf festen Boden setzen.«
Es klang so ruhig, so vernünftig, wie sie es in ihrem breiten Australisch sagte, daß es Pitt kalt über den Rücken lief. Konnte es sein, daß sie tatsächlich irgend etwas sah? Wenn man’s recht betrachtete, konnte Maeve nur irgendwelchen Hirngespinsten aufsitzen. Aber ihre Lage war so verzweifelt, daß er sich an jeden Hoffnungsschimmer klammerte. Er stützte sich am Schwimmkörper ab und richtete sich auf. Im selben Augenblick ritt das Boot den nächsten Wellenkamm ab, so daß er für kurze Zeit freie Sicht auf den Horizont hatte.
Aber nirgendwo ragten Hügel mit Palmen aus der See.
Pitt legte den Arm um Maeves Schulter. Er wußte noch, wie robust und lebhaft sie einst gewesen war. Jetzt wirkte sie klein und zerbrechlich, und dennoch strahlte sie ihn an, als hätte sie neue Zuversicht gefaßt. Dann sah er, daß sie nicht über das Meer blickte, sondern zum Himmel.
Erst jetzt bemerkte er den Vogel, der mit weit ausgebreiteten Schwingen in der leichten Brise über dem Boot dahinschwebte.
Er legte die Hände an die Augen und betrachtete den gefiederten Gast.
Die Flügelspannweite betrug etwa einen Meter, das Gefieder war grünbraun gesprenkelt. Er hatte einen stark gekrümmten, spitz zulaufenden Schnabel. Allem Anschein nach handelte es sich um einen mißratenen Vetter aus der großen und ansonsten so farbenprächtigen Familie der Papageien.
»Siehst du ihn auch?« fragte Maeve aufgeregt. »Ein Kea, der gleiche Vogel, der meine Vorfahren nach Gladiator Island geleitet hat. Hier unten im Süden schwören viele Seeleute darauf, daß ihnen im Falle eines Schiffbruchs ein Kea den Weg zum nächsten sicheren Hafen weisen wird.«
Giordino spähte nach oben. Für ihn war der Vogel eher ein Stück Fleisch als ein wundersamer, von den Göttern gesandter Bote, der sie auf trockenen Boden geleitete. »Fragt Polly, ob sie ein gutes Restaurant empfehlen kann«, brummte er müde vor sich hin. »Am liebsten eins, das keinen Fisch auf der Karte hat.«
Pitt ging nicht auf Giordinos Galgenhumor ein. Er beobachtete statt dessen den Kea. Der Vogel hing über ihm, als ruhe er sich aus; er machte keinerlei Anstalten, das Boot zu umkreisen. Dann hatte er offenbar neue Kraft geschöpft und flog in südöstlicher Richtung davon. Pitt ließ ihn nicht aus den Augen, bis er nur noch ein kleiner Punkt am Horizont war, zog dann sofort seinen Kompaß zu Rate und bestimmte den Kurs.
Papageien sind Landbewohner, dachte Pitt. Sie fliegen nicht übers Meer wie die Möwen oder die Sturmvögel. Vielleicht hatte er sich verirrt. Aber so hatte er sich nicht verhalten. Ein Vogel, der normalerweise an Land lebte, hätte sich auf dem erstbesten festen Gegenstand niedergelassen, der in Sicht kam.
Dieser aber hatte keine Anstalten gemacht, zu landen. Was wiederum hieß, daß er nicht müde war, sich nicht auf dem Flug zu irgendwelchen unbekannten Paarungsgründen verfranzt hatte.
Dieser Vogel wußte genau, wo er war und
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