Schockwelle
untergehen. Und wenn sie erst hilflos im Wasser ruderten, wurden sie entweder von den Haien zerrissen oder zwischen Felsen und Brandung zerschmettert. Er schöpfte unablässig weiter, ohne auch nur einen Takt auszulassen, und vertraute sich ganz und gar Pitt und Maeve an.
Pitt achtete auf den Rhythmus der Wellen, die durch den ansteigenden Meeresboden höher wurden und langsamer, maß den Abstand zwischen den Kämmen achteraus und voraus und schätzte ihre Geschwindigkeit ab. Die Wellenperiode betrug nur mehr rund neun Sekunden, was eine Geschwindigkeit von ungefähr zweiundzwanzig Knoten ergab. Die Dünung traf in schiefem Winkel auf das von der Küste zurückflutende Wasser, so daß sie sich jählings brachen und in weitem Bogen abströmten. Pitt wußte auch noch die klugen Ratschläge eines alten Klipperkapitäns, daß sie mit ihrer winzigen Segelfläche kaum eine Chance hatten, den schmalen Meeresarm anzusteuern. Außerdem befürchtete er, daß die von beiden Inseln zurückflutende Brandung die Einfahrt zu dem Kanal in einen Mahlstrom verwandelte.
Er spürte den Ansturm der nächsten Welle unter seinen Knien, die er an den Fiberglasboden gepreßt hatte, und schätzte anhand der Vibration ihre Masse ein. Das arme Boot wurde Gewalten aus gesetzt, für die es nicht konstruiert war. Pitt getraute sich nicht, den improvisierten Treibanker auszuwerfen, auch wenn die meisten Segelhandbücher bei rauher See dazu rieten. Da sie keinen Motor hatten, hielt er es für das beste, wenn sie sich von den Wellen mittragen ließen. Denn wenn es durch den Strömungswiderstand des Ankers abgebremst, zugleich aber vom gewaltigen Andruck der Wogen vorangeschoben wurde, würde das Boot höchstwahrscheinlich auseinanderbrechen.
Er drehte sich zu Maeve um. »Sieh zu, daß du im dunkelblauen Wasser bleibst.«
»Ich tu’ mein Bestes«, erwiderte sie tapfer.
In stetem, rollendem Rhythmus ertönte jetzt das Donnern der Brandung, und kurz darauf sahen sie die himmelhoch aufgeschleuderte Gischt, die zischend auf Meer und Fels niederprasselte. Ohne ein taugliches Ruder oder eine Besegelung, mit der man anständig manövrieren konnte, waren sie hilflos den Launen der tobenden See ausgeliefert. Die Brandungswellen wurden immer höher. Von nahem betrachtet, wirkte die schmale Durchfahrt zwischen den Felsenerhebungen wie eine tückische Falle, als wollte eine Sirene sie in trügerisches Fahrwasser locken. Zu spät, sie konnten nicht umkehren und um die Insel herumsegeln. Sie hatten sich entschieden, und jetzt gab es kein Zurück mehr.
Die Inseln und der schäumende Hexenkessel entlang ihrer unwirtlichen Küste verschwanden hinter den hohen Wellen, die unter dem Boot hindurchrollten. Ein frischer Wind kam auf und trieb sie auf einen schmalen Einschnitt zwischen hohen Felswänden zu ihre einzige Überlebenschance.
Je näher sie kamen, desto unruhiger wurde die See. Dasselbe konnte man von Pitt sagen, der die Höhe der Wellen, ehe sie sich überschlugen und brachen, auf fast zehn Meter schätzte.
Maeve kämpfte mit dem Ruder, versuchte gegenzusteuern, doch das Boot sprach nicht mehr darauf an, und kurz darauf war es völlig manövrierunfähig, als die Brandung sie mit voller Wucht erfaßte.
»Festhalten!« schrie Pitt.
Er warf einen kurzen Blick nach achtern, um ihre Position im Verhältnis zum Seegang zu bestimmen. Er wußte, daß die Wellengeschwindigkeit knapp unterhalb des Kammes am höchsten war.
Wie ein Konvoi schwerer Lastwagen donnerten die Brecher heran.
Das Boot stürzte in ein Wellental, aber sie hatten Glück. Die Woge brach sich erst, nachdem sie an ihnen vorbei war. Dann ritten sie mit halsbrecherischem Tempo auf der nächsten Welle mit. Der Wind fegte über die Kämme und schleuderte Gischt auf, die in alle Richtungen davonspritzte. Das Boot fiel zurück und wurde von der nächsten Sturzsee erfaßt, die sich unter ihnen bis zu einer Höhe von acht Metern auftürmte, sich dann überschlug und über sie hereinbrach. Das Boot blieb heil, und es kippte und kenterte auch nicht.
Es schlug flach auf, wurde hinabgerissen und landete klatschend im Wellental.
Sie wurden unter einer Wasserwand begraben. Es war, als fahre das Boot in einem außer Rand und Band geratenen Aufzug unter dem Meer mit. Minutenlang, so kam es ihnen vor, waren sie völlig untergetaucht, aber es konnten allenfalls ein paar Sekunden gewesen sein. Pitt ließ die Augen offen.
Verschwommen sah er Maeve, die in dem nassen Nichts unwirklich aussah, wie eine
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