Schockwelle
seiner Hosentasche. Er hatte seine Neugier nicht mehr bezähmen können und sich mit St. Julien Perlmutter kurzgeschlossen, einem alten Freund, der das weltweit umfassendste Archiv über Schiffswracks sein eigen nannte. Perlmutter, ein bekannter Schlemmer und Bonvivant, der berühmt für seine Partys war, hatte beste Beziehungen zu den gehobenen Washingtoner Kreisen und wußte zumeist sehr genau, wer welche Leichen im Keller hatte. Pitt hatte ihn angerufen und darum gebeten, die familiären Verhältnisse der beiden Frauen abzuklopfen. Knapp eine Stunde später hatte Perlmutter ihm einen kurzen Bericht gefaxt und ihm innerhalb von zwei Tagen nähere Auskünfte versprochen.
Die beiden waren keine normalen Frauen aus einer normalen Familie. Wenn die ledigen – und vielleicht auch ein paar verheiratete – Männer an Bord gewußt hätten, daß Arthur Dorsett, der Vater von Maeve und Deirdre, über ein Diamantenimperium gebot, das nur von De Beers’ übertroffen wurde, und als der sechstreichste Mann der Welt galt, hätten sie vermutlich alle Hemmungen fallenlassen und augenblicklich um die Hand der Töchter angehalten.
Er persönlich hatte vor allem gestutzt, als er das Dorsettsche Firmenzeichen gesehen hatte, das Perlmutter abgezeichnet und beige legt hatte. Nicht etwa ein Diamant oder ein anderes branchentypisches Symbol zierte das Emblem der Dorsetts, sondern eine große Schlange, die sich wellenartig durchs Wasser wand.
Der diensthabende Schiffsoffizier trat neben Pitt und sprach ihn leise an. »Admiral Sandecker ist am Satellitentelefon. Er möchte Sie sprechen.«
»Vielen Dank. Ich nehme den Anruf in meiner Kabine entge gen.«
Unauffällig schob Pitt seinen Stuhl zurück, stand auf und verließ die Messe. Niemand außer Giordino bemerkte es.
Pitt atmete tief durch, zog die Schuhe aus und fläzte sich in seinen Ledersessel. »Admiral, ich bin’s, Dirk.«
»Wird auch Zeit«, knurrte Sandecker. »Inzwischen hätte ich ja meine Rede vor dem Haushaltsberatungsausschuß des Kongresses aufsetzen können.«
»Tut mir leid, Sir, ich habe an einer Party teilgenommen.«
Daraufhin herrschte zunächst Schweigen. »Eine Party an Bord eines im Dienste der Wissenschaft stehenden Forschungsschiffes der NUMA?«
»Eine Art Abschiedsfest für die beiden geretteten Frauen von der
Polar Queen«,
erklärte Pitt.
»Von irgendwelchen fragwürdigen Betätigungen will ich lieber gar nichts erst hören.« Sandecker war ein durchaus aufgeschlossener und zugänglicher Mann, doch er ließ nicht mit sich reden, wenn an Bord seiner Flotte von Forschungsschiffen irgend etwas vor sich ging, das nicht unbedingt der hehren Wissenschaft diente.
Um so genüßlicher stichelte Pitt den Admiral. »Meinen Sie etwa Ringelpiez mit Anfassen, Sir?«
»Nennen Sie’s, wie Sie wollen. Aber sehen Sie zu, daß die Crew nicht über die Stränge schlägt. Wir könne n keinen öffentlichen Skandal brauchen.«
»Darf ich auch den Grund Ihres Anrufs erfahren, Admiral?«
Sandecker griff nicht aus schlichtem Gesprächsbedürfnis zum Telefon.
»Ich bedarf Ihrer Dienste hier in Washington. Und zwar schleunigst. Wie lange dauert es noch, bis Sie von der
Ice Hunter
aus nach Punta Arenas fliegen können?«
»Wir sind jetzt in Helikopter-Reichweite«, sagte Pitt. »Binnen einer Stunde können wir starten.«
»Ich habe veranlaßt, daß bei Ihrer Ankunft am Flughafen ein Transportjet der Streitkräfte für Sie bereitsteht.«
Sandecker trödelte nicht lange rum, dachte Pitt. »Dann werden ich und Al irgendwann morgen nachmittag bei Ihnen sein.«
»Wir haben viel zu bereden.«
»Irgendwelche neuen Entwicklungen?«
»Vor Rowland Island wurde ein indonesischer Frachter gefunden, alle Mann tot.«
»Die gleichen Symptome wie bei den Leichen auf der
Polar Queen
?«
»Das werden wir nie erfahren«, antwortete Sandecker. »Das Schiff ist in die Luft geflogen und gesunken. Mitsamt dem Prisenkommando, das an Bord gegangen war und sich umsehen wollte.«
»Was ganz Neues.«
»Und erschwerend kommt hinzu«, fuhr Sandecker fort, »daß im selben Seegebiet eine Luxusjacht verschollen ist, ein Nachbau einer chinesischen Dschunke, deren Eigner und Skipper der Filmschauspieler Garret Converse ist.«
»Der hat Millionen von Fans. Die werden ziemlich sauer reagieren, wenn sie erfahren, daß er eines unbekannten Todes gestorben ist.«
»Sein Verschwinden wird die Medien vermutlich mehr beschäftigen als alle Toten auf dem Kreuzfahrtschiff«, räumte Sandecker ein.
»Wie
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