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Schön ist das Leben und Gottes Herrlichkeit in s

Schön ist das Leben und Gottes Herrlichkeit in s

Titel: Schön ist das Leben und Gottes Herrlichkeit in s Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Sievers
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dich ab, morgen früh, zwanzig vor acht,
ho çakal
, lebewohl«, kletterte auf das Fahrrad des Onkels und war verschwunden.
    Ihres lehnte sie an die Wand, streichelte den Sattel, der einmal Volkan getragen hatte, und riss sich los, die Großmutter wartete mit dem Mittagessen und duldete keine Verspätung.
    Die Alte stand in der Küche, hob den Topf mit Kartoffeln vom Herd und stellte ihn auf den Tisch. Sagte, ohne aufzublicken: »Wer war das da draußen?« Ließ sich auf einen Stuhl fallen und griff nach der Gabel. Nahm eine Kartoffel, blies und biss hinein, man aß sie mit Schale und aus dem Topf. »Lass dich bloß nicht erwischen mit dem Kerl.« Sie schüttelte den Kopf.
    Ute nickte und dachte, worum fürchtet sie, meine Unschuld kann es nicht sein, der gute Ruf ebenso wenig, vielleicht, dass der Onkel nicht teilen will.
    Sie kaute an ihrer Kartoffel, die Schale war bitter von Erde, und beschloss, Volkan zuvorzukommen, vor seiner Tür zu warten, bevor er sich aufmachen konnte. Sie wusste, wo er wohnte, an der Tankstelle am Ortseingang, die sein Vater gepachtet hatte.
    Am Abend betrachtete sie ihre Arme, wartete auf die Stimmen, die ihr sagten, sie solle bluten, doch sie blieben stumm, und Ute legte das Rasiermesser beiseite.
    Morgens stand sie um halb acht neben der Zapfsäule, sog den Geruch des Benzins ein, bis ihr schwindelig wurde, und sah auf den Hauseingang, wo neben der Klingel ein kleiner, handgeschriebener Zettel klebte,
Gökdemir
.
    Zum ersten Mal im Leben hatte sie darüber nachgedacht, was sie anziehen sollte, die Jeans standen ihr gut, aber Türkinnen trugen Röcke, vielleicht erwartete er dasselbe von ihr. Der einzige Rock, den sie besaß, war knöchellang, undenkbar, damit Fahrrad zu fahren. Also doch die Röhre, dazu ein enges Top, der Onkel war schon aus dem Haus.
    Volkan erschien, das Haar nass, nach hinten gekämmt, schob das Fahrrad des Onkels durch die Tür, blickte auf, entdeckte sie und hob die Brauen: »Ich dachte vor deinem Haus …«, und dann: »Sie haben Ärger gemacht?« Ute zuckte mit den Schultern, wünschte, sie würde sprechen, stieg stattdessen auf ihr Fahrrad und trat los, kurz darauf hörte sie Volkan hinter sich, die scheppernde Kette am Schutzblech. Er holte sie ein und fuhr neben ihr, versuchte, seine Hand auf ihre Schulter zu legen. Ein Trecker kam näher und hupte, Volkan ließ los, hob die Faust und schüttelte sie, zuerst lachte er, dann lachten sie gemeinsam.
    Vor der Schule trennten sie sich, Volkan gab Ute die Hand: »Dann um Viertel nach eins«, er klemmte seine Tasche unter den Arm und ging davon. Sie blickte ihm hinterher, sein Haar war inzwischen getrocknet, rabenschwarz, es hing bis auf die Schultern.
    Ute machte sich auf in ihren Klassenraum, sah die Blicke nicht, die man ihr nachwarf, hörte nicht das Tuscheln, zum ersten Mal war sie taub, und das vor Glück.
    In der Pause nahm sie ihren alten Platz ein, entdeckte Volkan bei den anderen, doch er drehte ihr den Rücken zu. Vielleicht musste sie Geduld haben, er war ja gekommen, gestern, doch solange sie auch wartete, er wandte sich nicht um.

1980
    So ging es lange Zeit, morgens und mittags fuhren sie gemeinsam. Volkan auf seinem Fahrrad erklärte Ute die Welt, pries seinen Gott und schnelle Autos, das vor allem, er wollte Mechaniker werden wie sein Vater.
    In der Schule übersah er sie, doch ihr entging keine seiner Regungen – wie er die Zigarette von einem Mundwinkel in den anderen schob, mit den Augen rollte, wenn ein hübsches Mädchen vorüberging. Am Mittag würde er wieder ihr gehören.
    An einem Morgen, sie hatten sich eben getrennt, hörte Ute ein Rufen aus dem Klassenraum der Neunten, es waren Männerstimmen, manche der Schüler schon siebzehn oder achtzehn Jahre alt. Ute tat, als hörte sie nichts und wollte weitergehen. Doch dann vernahm sie Schritte, fühlte eine Hand an ihrem T-Shirt. »Hiergeblieben«, die Stimme duldete keinen Widerspruch. Ute erstarrte, wandte sich um und wagte nicht, den Kopf zu heben. Sah ein Paar großer Füße, folgte ihnen bis in den Klassenraum. Die Schüler saßen auf dem Boden, im Kreis, in der Mitte eine leere Flasche, sie musterten Ute erwartungsvoll. Es waren zehn, zwei Mädchen, geschminkt, und acht Jungen.
    »Hast du Zeit?«, fragte einer mit Pickeln, Pit, Ute schüttelte den Kopf.
    »Wir schon«, sagte er, »Freistunde, du übrigens auch. Wir geben dir frei.« Die anderen lachten, und einer mit rasiertem Schädel verbeugte sich, wies ihr einen Platz in der Runde.

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