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Schön ist das Leben und Gottes Herrlichkeit in s

Schön ist das Leben und Gottes Herrlichkeit in s

Titel: Schön ist das Leben und Gottes Herrlichkeit in s Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Sievers
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doch es verbarg ihre Brüste. Wie hatte sie sie so zur Schau stellen können die Tage zuvor,
iğrenç, iğrenç
.
    Das Fahrrad stand vor der Tür, Ute stieg auf und wollte nach rechts biegen, den Weg zur Schule einschlagen, durch die Allee, da riss sie den Lenker herum und fuhr nach links. Trat in die Pedale und erreichte keuchend die Tankstelle.
    Es war noch früh, Volkans Vater, verschlafen an der Kasse, entdeckte sie, erhob sich, kam heraus und auf Ute zu. Er strich sich durch das volle Haar, lang wie das seines Sohnes, aber an den Schläfen ergraut, blieb schließlich vor ihr stehen: »Geh lieber, er will dich nicht sehen.«
    Sie stieg auf das Fahrrad, wie betäubt, fuhr davon, die Seestraße entlang am rechten Straßenrand und dann, als ein Opel Kadett kam – Volkan verachtete Opel –, über die Fahrbahnmitte hinweg auf ihn zu. Der Fahrer hupte, wich aus, Ute sah in seine aufgerissenen Augen, bevor er an ihr vorbeifuhr und sie stürzte.
    Als sie sich erhob, waren nur Sekunden vergangen. Ihre Knie aufgeschürft, sie kroch zum Straßenrand, das Fahrrad zog sie hinter sich her. Sie stieg wieder auf und klagte mit stummer Stimme den Tod an, hätte er sie nur geholt.

1980/81
    Der Sommer verging, im Herbst kam der Regen, wie immer wochenlang, dann folgte ein harter, dunkler Winter. Die Tage waren kurz, kaum war die Sonne aufgegangen, mit kraftlosem Gelb am Horizont entlanggekrochen, senkte sie sich wieder, hinterließ die Dörfler in ihrer Schwermut. Es fehlte ihnen an Licht zum Leben und an Geld.
    Ute hörte nicht auf, an Volkan zu denken.
    Je mehr sie Volkan vermisste, desto stärker hasste sie den pickligen Pit. Pit, dem sie häufig begegnete, dann lächelte er wissend und leckte sich die Lippen.
    In der Pause stand Volkan mit ihnen zusammen, mit Pit und dem Glatzkopf. Wieso tat er das, waren sie denn nicht
iğrenç
?
    Der Onkel hatte Arbeit gefunden, in einer Räucherei, er roch abends nach Hering und Heilbutt, auch wenn er sich gewaschen hatte. Er brachte mit, was übrig geblieben war, Fisch tagein, tagaus.
    Als die Ostsee zufror, konnten die Fischer nicht mehr hinausfahren. Die Räucherei machte zu, der Onkel blieb zu Hause, wurde mürrisch, kniff Ute in die Brüste und riss an ihrem Haar.
    Sie las wieder, verbrachte die Tage mit ihren Büchern. Jetzt brauchte sie kein Versteck mehr, saß in der Bibliothek, mittags nach der Schule, dann noch einmal nachmittags, bis sie schloss und Ute der Kopf schmerzte. Sie erfuhr, dass auch andere aus Liebe litten, Romeo und Julia, Werther, dann Homo Faber.
    Um zwei musste sie zu Hause sein, nahm den Umweg über die Tankstelle, hoffte immer, einen Blick auf Volkan zu erhaschen, der seinem Vater beim Betanken der Autos half, beim Messen des Ölstandes oder Kassieren. Von dort bog sie zum Strand, fuhr die verlassene Promenade entlang bis zum Ende, stieg manchmal ab und lief über den Sand zum Ufer, wo das Eis sich aufzutürmen begann, zuerst am Rand, schließlich so weit das Auge reichte.
    »Sie laufen hinaus«, sagte die Großmutter beim Mittagessen, es gab wieder Kartoffeln, »jeden Nachmittag, kilometerweit, und springen über die Schollen, die großen Jungs, sie werden sich noch den Tod holen.« Ute hob die Brauen, und die Großmutter erklärte: »Sie fallen dazwischen und kommen nicht wieder hoch, ihr Zeug wird schwer von Wasser und zieht sie nach unten, die Kälte lähmt ihre Glieder. Nach fünf Minuten sind sie tot und verschwinden in der Tiefe«, sie lachte, »bis zum nächsten Frühling.«
    Ute senkte den Kopf und sah sich schweben, in eiskaltem Wasser, das lange Haar wie einen Strahlenkranz ausgebreitet, auf den Grund sinken in Wälder von Seegras. Warum nur schien es, als hätte sie es schon erlebt?
    Die Großmutter erhob sich und gab ihr einen Stoß: »Los, an die Arbeit!«
    Ute deckte den Tisch ab, spülte das Geschirr und blickte durch das trübe Fensterglas nach draußen. Dämmerlicht den ganzen Tag über, die Sonne tief an einem blassorangen Himmel, manche Sterne erloschen nie.
    Sie hatte noch viel Zeit bis zum Abend, wenn der Onkel sie brauchen würde, nahm ihre Jacke, rot, mit Kapuze, der Reißverschluss kaputt, so dass sie sie zuhalten musste, um nicht zu frieren.
    Sie brauchte Geld, wollte auch einmal einkaufen wie die anderen, Make-up vielleicht, das die Narben verdeckte, sollte Volkan sie je wieder ansehen.
    Geld zu stehlen war schwieriger als Waren, die Leute passten darauf auf, hielten ihre Börsen fest umklammert oder tief vergraben in ihren

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