Schön ist das Leben und Gottes Herrlichkeit in s
Einkaufstaschen.
Im Sommer hatte sie vor dem Toilettenhäuschen auf der Lauer gelegen, wo die Albinofrau ein Schälchen aufstellte und, wer wollte, eine Münze hineinlegen konnte, zehn Pfennig für ihre Dienste oder zwanzig. Die meisten bezahlten aus Mitleid, das Geschäft lief nicht schlecht. Zahlte jemand, während sie schrubbte, konnte Ute unbemerkt hinspringen und nach den Münzen greifen, die für ein Eis genügten.
Eine andere Gelegenheit war die Milchbar, eine schmucklose Halle, in der die Kurgäste für ihre Gesundheit Milch tranken und ein Trinkgeld hinterließen; wenn die Kellnerin in der Küche aufgehalten wurde, griff Ute zu.
Ruhiger ging es in der Kirche zu, ohnehin hatten Toilettenhäuschen und Milchbar im Winter geschlossen.
Die Kirchentür war offen, dieses Mal spielte der Organist, übte seine Kantate für Sonntag. Am Eingang hing der Opferstock, fest verschraubt an der Wand, der Inhalt war für Ute unerreichbar. Sie ging weiter, die Kapuze über dem Kopf, als fröre sie, vorbei an den Bänken, zu den Kerzen, hier lag das Geld unverschlossen in einem Kästchen, sie musste sich nur trauen, es zu öffnen. Der Organist machte Pause, raschelte mit seinen Blättern. Sie hörte ein Räuspern, das aus dem Beichtstuhl kam, der vom Pfarrer besetzt schien, einem anderen als früher, einem jüngeren, er lauschte einem reuigen Sünder. Ute wartete, bis die Orgel wieder spielte, aus ihren Pfeifen falsche Töne drangen, es war noch reichlich Übung bis zum Sonntag nötig. Utes Hand schlüpfte in das Kästchen, doch war es leer, da fiel ihr Blick auf die Tür zur Sakristei, die angelehnt stand. Ein letzter Blick auf den Organisten, der ihr den Rücken zuwandte, dann lief sie mit gesenktem Kopf in den kleinen Raum. Auf einem geblümten Tischtuch stand eine Kaffeekanne, über der Stuhllehne hing die Hose des Pfarrers, und in der Gesäßtasche steckte eine Geldbörse. Ute griff danach, zog sie hervor, öffnete sie mit zitternden Fingern und fischte zwei Scheine heraus, einhundert Mark und zwanzig, so viel Geld hatte sie noch nie gesehen. Sie ballte die Faust um ihren Schatz, steckte die Börse zurück, verließ die Sakristei, vom Organisten unbemerkt, der tief über das Manual gebeugt einen Lauf übte, vorbei am Beichtstuhl, aus dem leises Gemurmel drang, hinaus in die Winterluft. Sie war reich.
Sie lief hinunter zum Strand, die Kapuze noch immer tief in das Gesicht gezogen, sah niemanden sonst und hockte sich in den Sand. Ihr Blick strich über das Eis, Vögel, die über Nacht festgefroren und verendet waren, andere, noch am Leben, auf der vergeblichen Suche nach Futter. Ihre Rufe matt, doch Ute war lebendig, zog die Faust hervor, warf einen kurzen Blick zwischen die Finger. Es war noch da, das Geld. Sie schob die Kapuze vom Kopf, schüttelte ihr Haar und lachte laut, zum ersten Mal seit langem, ihre Stimme rau wie die der Möwen.
Da entdeckte sie weit draußen einen Punkt, einen Mann vielleicht, er war groß und dünn und schien zu springen, tatsächlich, er sprang von Scholle zu Scholle. Eine Zeit lang parallel zum Ufer, von der untergehenden Sonne beschienen, immer wilder, als sei es ein Tanz, dann im Zickzack auf das Ufer zu. Ute sah er nicht, die untergehende Sonne in ihrem Rücken blendete ihn, und als er näher kam, hörte sie seinen Gesang. Wie ein Seeräuber grölte er, wild und übermütig, und jetzt erkannte sie ihn, es war Pit. Sie erhob sich eilig, klopfte den Sand von ihren Beinen, wandte sich um und wollte gehen, bevor er sie bemerkte. Da brach der Gesang ab. Als sie wieder hinsah, war der Horizont leer. Ungläubig kniff sie die Lider zusammen und erkannte zwei Arme, die sich mühten, die nach einem Vorsprung tasteten, der Halt bot, aber vergebens – noch einmal hob sich der Kopf, ehe der ganze Körper im Unsichtbaren versank.
Ute starrte auf den leeren Fleck, drehte sich um und schritt über den Strand, zuerst verwirrt, dann triumphierend, Siegerin über ihren Feind. Sie reckte die Faust, immer wieder, bis sie eiskalt war, sie würde sie zu Hause am Ofen wärmen müssen, um sie öffnen zu können.
Am nächsten Tag fehlte Pit auf dem Schulhof. Das war nicht ungewöhnlich, gelegentlich blieben Schüler zu Hause, schliefen ihren Rausch aus oder schwänzten einen Test; der Lehrer verlangte eine Entschuldigung, spätestens am Tag darauf.
Ute stand an ihrem Platz auf dem Hof und spähte misstrauisch zum Eingang; vielleicht hatte das Eis ihn wieder hergegeben, das Meer ihn ausgespien, dann käme er
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