Schön und ungezähmt
sogar etwas zu viel des Guten. Sie war nicht so versessen auf die dunklen, schweren Möbel und das Fehlen duftiger Spitze in ihrem Schlafzimmer. Coltons Mutter aber, die sich inzwischen neu verheiratet hatte und mit ihrem zweiten Ehemann, einem italienischen Grafen, in der Nähe von Florenz lebte, hatte offenbar die Farbe Lavendel geliebt. Brianna war darin nicht annähernd so vernarrt, und auch wenn Colton ihr mit einem sorglosen Abwinken versprochen hatte, sie könne die Gemächer nach ihren Wünschen umgestalten, waren sie noch nie lange genug geblieben, dass sie dieses Projekt angehen konnte. Vielleicht konnte sie ihn überzeugen, London häufiger hinter sich zu lassen, wenn ihm dieser kleine Ausflug gefiel.
Sie war fest entschlossen, dass er es auf jeden Fall genoss.
Ihre Zofe und Coltons Leibdiener waren ihnen mit dem Gepäck vorausgereist. Ihre Koffer waren bereits ausgepackt, stellte Brianna zufrieden fest, und ihre Bürsten und andere Toilettenartikel lagen auf dem verzierten Frisiertisch. Die hohen Fenster standen offen und ließen den warmen Nachmittag ein. Die zarten Vorhänge bewegten sich in der leichten Brise, die vom grünen Park hereinwehte.
»Euer heißes Wasser sollte in Kürze hier sein, Euer Gnaden.« Ihre Zofe, ein Mädchen aus Cornwall, das immer mit leiser Stimme sprach, trat zu ihr, um ihr beim Ausziehen zu helfen. »Welches Kleid möchtet Ihr gern heute Abend tragen?«
»Nichts Lavendelfarbenes«, murmelte sie und schaute sich um. »Vielleicht das Kleid aus eisblauer Seide. Heute Abend ist es nur ein ungezwungenes Essen im Kreis der Familie. Die Gäste werden nicht vor morgen ankommen.«
»Natürlich, Euer Gnaden.«
Nachdem sie den Reisestaub abgewaschen und sich wieder angezogen hatte, bürstete Brianna ihr Haar und steckte es mit Mollys Hilfe zu einem losen Knoten im Nacken hoch. Sie saß vor dem reich verzierten, vergoldeten Spiegel und fragte sich, wann wohl der richtige Zeitpunkt war, um ihren Mann mit dem verruchten Geburtstagsgeschenk zu überraschen, das sie für ihn geplant hatte.
Die Wahl des richtigen Zeitpunkts war von entscheidender Bedeutung.
Wenn es nach ihr ging, würde er sich für den Rest seines Lebens an diesen Tag erinnern.
Die gebrechlich wirkende Frau mit der Wolldecke über den Knien und einem Monokel vor einem Auge trug wie immer kultivierten Missmut zur Schau. »Nett, dass du endlich auch für deine Familie Zeit findest«, bemerkte sie schroff.
Der Verstand seiner Großmutter war trotz ihres Alters nicht im Geringsten geschwächt, dachte Colton zärtlich. Er gab sein Bestes, um nicht zu defensiv zu klingen. »Ich bin doch brav hergekommen, oder nicht?«
Die Herzoginwitwe schnaubte verächtlich. »Aber auch nur, weil deine hübsche, junge Frau dich dazu gezwungen hat.«
Brianna lächelte bloß. »Colton ist immer sehr beschäftigt. Ich bin so froh, dass er zugestimmt hat, herzukommen.«
Damien lehnte sich zurück, eine seiner Brauen auf seine typisch rätselhafte Weise hochgezogen. Robert wirkte amüsiert. Da stehen wir also, dachte Colton, während er nach einer diplomatischen Antwort suchte. Drei erwachsene Männer, die von einer alten Frau und einer jungen, sehr ablenkenden Schönheit übertölpelt wurden. Er räusperte sich. »Ich freue mich darauf.«
Seine Großmutter kniff ihre scharfsinnigen blauen Augen zusammen und senkte das Monokel. »Ich bin nicht sicher, ob ich das tatsächlich glauben kann, aber ich möchte mich auch nicht streiten. Du bist hier, Damien ist endlich heimgekehrt, wenn auch nur für kurze Zeit, und Robbie hat den Lustbarkeiten Londons entsagt, um ein paar Tage auf dem Land zu verbringen. Das ist nicht mehr passiert, seit …«
Sie verstummte, und Colton beobachtete, wie sie plötzlich ihren Gehstock zurechtrückte, der neben ihrem Sessel lehnte, als sei es das Wichtigste auf der Welt, dass der Stock im richtigen Winkel stand. Ihre Augen glänzten verräterisch. Seit sein Vater – ihr Sohn – unerwartet an einem plötzlichen Fieber gestorben war, vollendete er in Gedanken ihren Satz. Colton war damals zwanzig, Damien hatte gerade seine Studien in Cambridge aufgenommen, und Robbie war noch in Eton. Für die Beerdigung hatten sie sich zuletzt als Familie hier versammelt, und er konnte es nicht fassen, dass sie recht hatte. Danach waren sie zielstrebig getrennter Wege gegangen, und jeder von ihnen hatte seine jeweiligen Leidenschaften verfolgt. Er hatte seinen Vater beerbt und musste lernen, ein Herzogtum zu verwalten,
Weitere Kostenlose Bücher