Schön und ungezähmt
Kindheit?« Die Frage schien ihr angemessen, da sie sich gerade dem Anwesen näherten, auf dem er aufgewachsen war. Außerdem war sie neugierig.
Coltons Brauen hoben sich leicht. »Meine Kindheit?«
»Ich kann mir vorstellen, dass es nicht leicht war, als ältester Sohn eines Dukes aufzuwachsen.« Sie erinnerte sich an ihre Nichten und Neffen, die bei ihrem letzten Besuch bei ihrer Schwester so wild durch den Garten gelaufen waren. Ihre Kindheit war ebenso wundervoll gewesen. »Wurde dir erlaubt, zu spielen? Ein Pony zu reiten? Hast du schwimmen gelernt? Durftest du all die Dinge tun, die Kinder so gern tun?«
»Das durfte ich tatsächlich, ja. Bis zu einem gewissen Punkt zumindest…« Azurblaue Augen betrachteten sie mit wachsamem Blick. »Darf ich fragen, warum wir diese Diskussion führen?«
»Das ist doch wohl kaum eine Diskussion«, widersprach sie. »Du hast ja gerade mal einen Satz beigetragen. Und der Grund, warum ich dich frage, ist der, dass du den Vergnügungen heute so wenig Platz in deinem Tagesablauf einräumst. Ich habe mich gefragt, ob du in dem Glauben erzogen wurdest, das Leben müsse so gelebt werden.«
»Du hast wohl meinen Bruder kennengelernt, oder?« Coltons Stimme klang ironisch. »Es ist doch offensichtlich, dass wir nicht dazu erzogen wurden, der Frivolität zu entsagen. Ich will damit nicht sagen, dass Robert ein frivoler Mann ist, aber er verweigert sich nicht seinen Vergnügungen.«
Aber ebenso wenig ist Robert der älteste Sohn, überlegte Brianna. Sie betrachtete ihren Mann unter leicht gesenkten Lidern.
»Ich gehe zu Konzerten, in die Oper und nehme an anderen Vergnügungen teil. Ich reite jeden Morgen aus, es sei denn, das Wetter ist schlecht. Ich gehe regelmäßig in den Club.« Colton zählte langsam die einzelnen Punkte auf. Seine Stimme wurde leiser.Tiefer. »Ich genieße besonders die Nächte, seit wir verheiratet sind.«
Eine Erwiderung auf diese anzügliche Bemerkung musste warten, da die Kutsche jetzt in die lange Zufahrt gelenkt wurde. Die Fassade von Rolthven Manor war zwar nicht mittelalterlich, verlieh dem Gebäude jedoch einen Hauch dieser längst vergangenen Epoche, obwohl es mit den klaren Linien und dem sauberen, grauen Stein einer späteren Zeit entstammte.Vielleicht lag es an den Türmen, die sich an den Ecken der lang gestreckten
Front in den Himmel erhoben und an eine Zeit erinnerten, als die Northfields feudale Herrscher über ihr Land waren. Colton hatte ihr bei ihrem ersten Besuch erzählt, dass nur wenige Teile der ursprünglichen Burg erhalten geblieben waren, denn die Haupthalle war vor einigen hundert Jahren abgerissen und neu erbaut worden. Eine breite Freitreppe führte zu einer herrlichen Terrasse. Die massiven Doppeltüren waren mit Buntglas geschmückt und aus dunklem Holz. Das Familienwappen war in das Portal geschnitzt, um den Besitzanspruch der herzoglichen Familie auf diesen Landsitz zu untermalen.
An einem düsteren Tag fand Brianna diesen Ort von außen etwas erdrückend, obwohl der Rasen gut gepflegt war und die Blumenrabatten in voller Blüte standen. An einem strahlend schönen Sommertag jedoch sah es warm und einladend aus, und sie hoffte, dass ihre Gäste das ebenso empfanden.
Wenn sie das hier für Colton tat, wollte sie es auch gut machen.
Die Equipage rollte die Einfahrt hinauf, und sie spürte ein Flattern in ihrem Bauch, wie der Flügelschlag von Schmetterlingen.
Seine mangelnde Begeisterung für dieses Ereignis ist ja offensichtlich, dachte sie mit leiser Resignation. Sie war entschlossen, diese Landpartie für einen Mann, der sich eigentlich nicht vergnügen wollte, zu einem angenehmen Aufenthalt zu machen. Ihre Entschlusskraft wurde durch die Erfolge in jüngster Zeit nur verstärkt, die sie sich ermutigend noch einmal ins Gedächtnis rief. Bisher drei. Sie hatte sie sogar niedergeschrieben und das Pergament in Lady Rothburgs verbotenes Buch gelegt.
Eine wilde, erotische Kutschfahrt.
Ein Abend, an dem er … Oje, die Röte stieg ihr ins Gesicht,
sobald sie daran dachte, aber ein Abend, an dem er sie an einer Stelle geküsst hatte, von der sie nie geglaubt hätte, dass ein Mann eine Frau dort küsste. Und es hatte sich herrlich verrucht angefühlt.
Ein unvergessliches Bad und das anschließende Zwischenspiel, das sich daraus ergab.
Auf dem Pergament sah das dann so aus: DIE OPER. SEIN SCHLAFZIMMER. MEIN BAD.
Sie wollte auf keinen Fall irgendwem, der zufällig ihre Notizen fand, die Gelegenheit bieten, die Worte
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