Schön und ungezähmt
sprach sie ihm ihr Kompliment für die Vorstellung aus. Die Ungläubigkeit, die in ihrer Stimme mitschwang, war wohl nur ein Vorgeschmack auf das, was ihn erwartete, sobald er nach London zurückkehrte.
Als er ihr gegenüber etwas über Rebeccas außergewöhnliches Talent sagte, sah sie ihn abweisend an und winkte ab. »Es ist natürlich nur ein Zeitvertreib. Alle anständigen jungen Mädchen sollten in der Lage sein, hinlänglich zu spielen.«
»Hinlänglich?«, protestierte er erstickt, ehe er sich zurückhalten konnte. Vielleicht lag es an dem Glas Wein, das er gerade mit einem einzigen Schluck heruntergestürzt hatte. »Madam, sie ist ebenso bemerkenswert wie schön. Der Komponist würde vor Freude weinen, wenn er gehört hätte, dass sein Werk so gekonnt vorgetragen wurde.«
Er hätte wohl gut daran getan, nicht so vehement seine Gedanken auszusprechen. Aber die Teilnahmslosigkeit der Frau verärgerte ihn. Rebeccas Mutter sah ihn an, als würde sie in ihm nicht mehr bloß einen jungen Mann von zweifelhaftem Ruf sehen, sondern unter Umständen sogar eine ernsthafte Gefahr. Er musste sich unwillkürlich fragen, was ihr Mann ihr erzählt hatte. Oder auch nicht erzählt hatte.
Sie murmelte: »Ich danke Euch, Mylord. Ich werde meiner
Tochter Eure Würdigung ihrer Fähigkeiten am Pianoforte übermitteln.«
Mit anderen Worten: Robert brauchte es Rebecca nicht persönlich zu sagen. Aber was um alles in der Welt hatte er auch erwartet, fragte er sich. Selbst wenn ihn und Sir Benedict eine herzliche Bekanntschaft verbinden würde, hatte doch inzwischen jeder zweite geeignete Junggeselle ganz Londons um Rebeccas Hand angehalten, und jeder war abgewiesen worden. Ihre Eltern waren offenbar wählerisch. Und das sollten sie auch sein. Rebecca Marston bot alles, was sich ein Mann von seiner Ehefrau nur wünschen konnte. Schönheit, Haltung, Perfektion. Und dann war da noch dieses unbewusste, verführerische Lächeln...
Wenn ein Mann eine Ehefrau wollte.
Es war kaum von Bedeutung. Er wollte keine Frau. Jetzt nicht, nicht in seinem Alter. Nicht, solange er sein Leben unabhängig führen wollte.
Er wollte keine Frau.
Oder doch?
Er war an diesem Abend zu sündig attraktiv gewesen. Zu nah in dieser kleinen Gesellschaft. Zu sehr er selbst. Rebecca konnte noch immer die vibrierenden Saiten hören, mit denen ein anderer zum ersten Mal ihre Musik gespielt hatte. Sie konnte die behutsame Berührung seiner schlanken Finger sehen, die sich auf die Saiten seines Cellos gelegt hatten. Den intensiven, konzentrierten Ausdruck auf seinem Gesicht. Den Schwung seines Bogens.
Jemand anderes spielte ihre Musik. Nicht irgendjemand. Robert. Wie schwierig es auch für sie war, weil sie eine Vernarrtheit in ihn entwickelt hatte, blieb ihr letztendlich doch das geheime
Vergnügen, ihn ihre Noten spielen zu hören. Er hatte sie bei etwas so Persönlichem, so Intimem begleitet. In gewissem Sinne fühlte es sich im Nachhinein für sie an, als wären sie für diese kurze Zeit Liebende gewesen.
Denn ihr war klar, dass er die Musik liebte. Sie hatte es an seiner Miene gesehen, an seinen hypnotisierenden, blauen Augen. An seiner Haltung und daran, wie wunderschön er gespielt hatte.
Hatte sie es bereits bei ihrer ersten Begegnung bei ihm gespürt? Vielleicht war es diese gefühlvolle, unglaubliche Gemeinsamkeit, die sie anfangs zu dem berüchtigten Robert Northfield hingezogen hatte.
Vor ihrem gemeinsamen Spiel war sie verliebt gewesen. In sein gutes Aussehen, sein berauschendes Lächeln, das Selbstbewusstsein, das er ausstrahlte, wie auch in seine sinnliche Männlichkeit.
Aber durch ihre Musik … ihre zweite Liebe … war sie vollkommen verloren.
Das Buch lag in ihren Händen. Sie hatte es noch nicht aufgeschlagen. Rebecca saß in Nachthemd und Morgenrock auf der Bettkante. Eine Lampe war heruntergedreht, damit sie im schwachen Schein noch lesen konnte. Behutsam berührte sie den dünnen Ledereinband von Lady Rothburgs Ratschläge und hob den Buchdeckel an. Dann wählte sie zufällig eine Stelle in der Mitte des Buchs aus. Wenn es die Möglichkeit für eine richtige Romanze geben konnte, dann mit diesem Buch.
… ist nicht kitzlig, sondern eher empfindlich. Umfasst seinen Hodensack zärtlich mit der Hand, und dann berührt die zarte Haut dahinter. Streichelt ihn mit einem Finger. Ich verspreche Euch, dass er auf diese Liebkosung überaus erfreulich reagieren wird …
Rebecca klappte mit einem leisen Keuchen das Buch zu. Das Klopfen an
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