Schön und ungezähmt
Ihr einen geheimen Ort habt, an dem Ihr erproben könnt, ob er sich von Euch angezogen fühlt.
Wenn es notwendig ist, solltet Ihr auch im Vorfeld entscheiden, welches Ziel Ihr verfolgt. Was wollt Ihr von diesem Gentleman? Wünscht Ihr einfach nur, seine Geliebte zu werden? Wünscht Ihr, dass er Euch zur Mätresse nimmt, Euch mit Geschenken überschüttet und Eure Lust befriedigt? Oder ist Euer Ziel von eher dauerhafter Natur?
Letzteres ist, je nachdem, um welchen Mann es sich handelt, am schwierigsten – aber selten unmöglich.
Himmel, Rebecca hoffte nur, dass die Frau recht hatte. Sie blätterte weiter. Sogar das Rascheln des Papiers ließ sie erschreckt und schuldbewusst aufblicken, ob sie wirklich allein war. So sehr Colton es missbilligen mochte, dass Brianna dieses Buch gekauft hatte, Rebeccas Eltern würden in tiefe Ohnmacht sinken, wenn sie es bei ihren Sachen fanden. Es gäbe keine Möglichkeit, sich zu erklären oder zu entschuldigen. Das nicht. Sie wären außer sich, und das aus gutem Grund, wenn man die Pikanterie bedachte, die sie vorhin gelesen hatte.Wenigstens schien dieses Kapitel nicht ganz so ungeheuerlich zu sein.
Die Umstände, wie genau Ihr sein ungeteiltes Interesse auf Euch lenkt, liegen ganz bei Euch. Aber Ihr müsst mit ihm allein sein. Dann ist das Kräfteverhältnis auf Eurer Seite. Sollte er die Gelegenheit beim Schopfe packen und versuchen, Euch zu verführen, so habt Ihr Euer Ziel sehr leicht erreicht. Wenn er es nicht versucht, müsst Ihr erfinderisch werden und ihn davon überzeugen, dass er sich wünscht, Euch zu verführen. Scheut nicht, Eure weiblichen Reize einzusetzen, um die Situation unter Eure Kontrolle zu bekommen. Schließlich ist das Aussehen einer Frau das Erste, was ein Mann wahrnimmt, wenn er sie kennenlernt. Das bedeutet nicht zwingend, dass Ihr schön sein müsst, um seine Aufmerksamkeit zu fesseln. Die Ehrlichkeit verpflichtet mich, Euch daran zu erinnern, dass die Tatsache, dass Ihr Frau und Mann seid, der Hauptgrund ist, der Euch zusammenführt. Es ist eine logische Schlussfolgerung.
Männer begehren Frauen. Oh ja, auch Frauen begehren Männer, aber wir sind viel subtiler darin, unser Vorhaben durchzusetzen. Wo die Männer jemanden verfolgen, deuten wir nur an. Wo sie zupacken, berühren wir. Wo sie etwas brauchen, wollen wir es nur.
Ist es nicht ein wunderschöner Tanz der Natur? Und der Anstand unserer Zeit sorgt nur für eine zusätzliche Faszination. Wir verschleiern unsere verführerischen Schritte hinter Höflichkeit und sinnlosem Protokoll, aber niemand wird tatsächlich getäuscht. Es ist wesentlich, es ist unvermeidlich, und es dient alles nur unserem Vorteil als Frauen unserer Zeit. Ehrbare Männer lieben uns, und es ist an uns, zu entscheiden, bis zu welchem Grad wir ihre Aufmerksamkeit wecken. Sobald Ihr wisst, dass ein Gentleman interessiert ist, wartet nicht auf ihn. Nehmt die Sache selbst in die Hand. Schließlich wisst Ihr, was er will.
Frauen unserer Zeit?
Rebecca ließ das Buch sinken. Sie war mehr als bloß ein bisschen überrascht. Sie hatte ihre Stellung immer so betrachtet, dass ihr nur wenig Freiheit blieb. Aber vielleicht hatte die Autorin recht. Robert wusste ziemlich gut, dass er mit ihr nicht leichtfertig tändeln durfte. Sie musste ihn also irgendwie von den Vorteilen einer dauerhaften Tändelei überzeugen.
Und wenn sie nicht irgendetwas unternahm, würde sie sich an der Seite eines anderen Mannes wiederfinden.
Bisher hatte sie gewartet, bis er den ersten Schritt machte. Aber warum musste es so sein?
Offenbar musste sie nur versuchen, mit ihm allein zu sein, um dann abzuwarten, was passierte. An jenem Abend im Garten war er ihr bloß behilflich gewesen, vor Lord Watts zu fliehen, aber auf der Terrasse gestern Abend nach dem Dinner hatte sie das Gefühl gehabt, er verhielte sich anders. Eine gewisse Anspannung, die unter seinem gewöhnlich so mühelosen Charme mitschwang. Besonders, als sie an der Balustrade standen und redeten.
Ein gewisses, erhitztes Leuchten in seinen Augen …
Möglicherweise hatte sie dieses besondere Leuchten gesehen.
Rebecca begann nur langsam, sich die Hoffnung zu erlauben, dass es wahr sein könnte. Nach ihrer Vorstellung heute Abend hatte er sie gemieden. Eigentlich hatte sie erwartet, er käme anschließend zu ihr und sagte etwas über die Musik oder das Duett. Jeder war zu ihr gekommen – nur er nicht. Es war ungewöhnlich für einen Mann, der sonst so sanft und höflich war.
Bestimmt war das
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