Schön und ungezähmt
daran, wie viel leidenschaftlicher ihr Mann inzwischen geworden war. Seine Leidenschaft wurde nicht länger eingeschränkt, und beim letzten Mal, als er sie in ihrem Bett besuchte, hatte sie nichts getan, um ihn zu provozieren. Er hatte nicht nur sein übliches Ritual versäumt, bei dem er das Licht dimmte, sondern hatte sie auch hochgehoben und geradezu aufs Bett geworfen, als könne er es nicht erwarten.
Genau das wollte sie. Dieses gesteigerte, sexuelle Wissen, dass sie eine Frau war, und nicht bloß seine Ehefrau. Eine Frau, die ihm Lust schenken konnte und wollte.
Und sie begann zu erkennen, dass auch sie es genoss. Das gesteigerte Lustempfinden beanspruchte nicht nur Colton für sich. Sie warf Arabella einen Seitenblick zu, die ebenfalls erst seit Kurzem verheiratet war. »Weißt du, du könntest auch von diesem Buch profitieren. Es ist wirklich erhellend. Ich wünschte, ich hätte es gelesen, bevor … Also, du weißt schon. Bevor .«
Arabellas Wangen überzog ein rosiger Hauch, weil sie auf die Hochzeitsnacht anspielte. »Hätte es denn geholfen? Ich meine nicht, dass es schrecklich oder etwas in der Art war. Andrew war sehr verständnisvoll und zärtlich. Aber ich war so schrecklich nervös. Jetzt ist alles in Ordnung.«
»Das ist aber der springende Punkt.« Brianna hatte das Gefühl, ebenfalls leicht zu erröten. »Es kann so viel besser sein als nur in Ordnung.« Sie schaute Rebecca an. »Das Buch handelt nicht bloß von intimen Dingen, Beck. Lady R hat ein ganzes Kapitel dem Thema gewidmet, wie man einen zaudernden Mann dazu bringt, seine Grenzen zu überschreiten. Als verheiratete Frau brauchte ich das ja nun nicht zu lesen, aber das ganze Buch ist so faszinierend, dass ich es nicht ausgelassen habe. Lady R hat selbst die Erfahrung gemacht, wie sie die Aufmerksamkeit jedes Gentlemans fesselte, den sie begehrte. Sie behauptet, dass sie ihr Ziel mit gewissen Techniken immer erreicht hat.«
»Ich habe tatsächlich gehofft, dass du mir jetzt doch das Buch leihst.« In Rebeccas Stimme schwang ein leises Beben mit. »Vielleicht, wenn ich es versuche... Meine Eltern wären entsetzt, aber ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich, wenn ich nicht bald etwas tue, gezwungen werde, den Heiratsantrag eines Mannes anzunehmen, den sie für mich auswählen und nicht ich.«
»Ich finde, das ist eine ausgezeichnete Idee.Wie ihr beide wisst, glaube ich fest an die Methoden der Lady R.« Brianna stand auf. »Das Buch ist in meinem Zimmer. Ich hole es.«
Sie ging in ihr Schlafzimmer, nahm den kleinen, goldenen Schlüssel aus ihrem Frisiertisch und holte die kunstvoll verzierte, antike Schatulle aus den Tiefen ihres Kleiderschranks hervor. Die Schatulle hatte einst ihrer Großmutter gehört, die vermutlich über die Maßen empört wäre, wenn sie wüsste, was sich im Moment darin befand. Das Buch lag auf dem fadenscheinigen Samt, als wäre es ein wertvoller Edelstein, und zumindest für Brianna war der verbotene Besitz von großem Wert. Der Buchdeckel war aus unscheinbarem Leder, auf das scharlachrote Buchstaben geprägt waren, und die Seiten waren abgenutzt. Brianna hatte
sich mehr als einmal gefragt, wer der oder die Vorbesitzer gewesen waren. Sie hatte das bestimmte Gefühl, dass Lady Rothburg vor ihr bereits vielen Frauen geholfen hatte. Sonst wäre das Buch sicher längst vernichtet worden, statt seinen Weg in diesen verstaubten, kleinen Buchladen zu finden.
Brianna kehrte zurück und händigte Rebecca das Buch aus. »Versuch vor allem das Kapitel ›Vergesst nie, dass Ihr besser wisst, was er will‹.«
Rebecca starrte die Vorderseite an und richtete sich kerzengerade auf. »Ich wünschte, ich wüsste, was er will. Ich weiß auf jeden Fall, was mein Vater nicht will, aber ich habe hin und her überlegt, warum... Tatsächlich habe ich zuletzt kaum über etwas anderes nachgedacht.« Ihr Gesichtsausdruck wurde entschlossen. »Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es auch irgendwie zählen sollte, was ich will. Schließlich ist es mein Leben und mein Glück, das auf dem Spiel steht.«
Brianna verstand diesen Gedanken nur zu gut. Aus diesem Grund hatte sie das Buch damals erworben. Sie sagte fest: »Ich warne dich: Die Ratschläge kommen dir vielleicht eigenwillig vor. Aber vertrau Lady R. Sie wird dir helfen.«
Kapitel 12
Je mehr er sich bemüht, Euch zu verführen, um so mehr solltet Ihr darüber nachdenken, ob er ernste Absichten hegt.
Aus dem Kapitel »Wenn es keine Liebe ist – was dann?«
Der
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