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Schönbuchrauschen

Schönbuchrauschen

Titel: Schönbuchrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Weichold
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Schlafzimmer kam.
    »Nein, ich kann nicht.«
    Kupfer war am Abend abgespannt vom Dienst nach Hause gekommen, hatte beim Abendessen sehr wenig geredet und auf Maries Fragen nur einsilbig geantwortet. Sie kannte ihren Mann gut genug, um seine Schweigsamkeit nicht auf sich zu beziehen. Sie wartete ruhig ab, bis er sich öffnete und aussprach, was ihn bedrückte. Dass sie dabei oft nicht alles erfuhr, was ihm das Leben schwer machte, wusste sie wohl. Aber sie musste auch nicht alles wissen. Es genügte ihr, wenn sie seine Verstimmung einordnen konnte. Sie zu vertreiben, gelang ihr selten, so oft sie es auch versuchte.
    »Der Fall mit der jungen Frau?«
    »Hmm.«
    »Du hast sie heute verhört?«
    »Ja.«
    »Kein Geständnis?«
    »Doch. Aber ich persönlich kann damit nicht viel anfangen. Vielleicht kann es ein Richter. Ich nicht.«
    Marie setzte sich aufrecht in ihr Bett und nahm einen Schluck Milch.
    »Hast du nicht gesagt, dass die Beweislage für dich absolut klar sei?«
    »Ja, ist sie auch. Und nicht nur für mich, ebenso für sie selbst. Wir haben ihr die ganzen Fakten vorgelegt, ihre Wege nachgezeichnet, ihr zum Beispiel bewiesen, dass sie in Lipps Wohnung war, ihr die Aussage ihres Halbbruders vorgelegt, und alles, was von ihr kam, war eine völlig emotionslose Reaktion. Sie hat alles zugegeben, aber nur ja gesagt oder genickt. Sie hat alles gestanden und doch jede Aussage verweigert. Mein größtes Problem ist, dass ich ihre Psyche nicht verstehe. Stell dir doch einmal vor, was für ein Gegenüber du erwarten würdest, wenn du in einem Fall von kaltblütigem Mord und Anstiftung zum Doppelmord ermitteln würdest? Eine Bestie, einen abscheulichen Menschen, so dass es dir schwerfallen würde, negative Emotionen zu unterdrücken. Und hier sitzt mir nun eine zarte junge Frau gegenüber, hübsch, sehr intelligent, mit guten Manieren. Eine junge Frau, die früher zu den Naturschützern gehörte und die heute noch aussieht, als könnte sie keiner Fliege etwas antun. Was muss so einer Person zugestoßen sein, dass sie einen ehemaligen Freund, der dazu noch wahrscheinlich ihre erste Liebe war, kaltblütig umbringt? Und in diesem Punkt schweigt sie sich aus. Hier kann es nicht nur um Geld gehen, hier steckt noch etwas anderes dahinter, und an das komme ich nicht ran. Da gibt es eine Barriere, und ich weiß nicht, wie ich sie durchbrechen soll.«
    »Der Ermordete war ihr ehemaliger Freund, sagst du?«
    »Ja, stell dir vor.«
    »Dann, würde ich sagen, muss sich zwischen den beiden etwas ganz Furchtbares abgespielt haben. Ich meine nicht den Mord.«
    »Sondern?«
    »Etwas anderes. Eine Vorgeschichte, die ihr noch nicht aufgedeckt habt und …«
    »Was und?«
    »Die nur sie allein aufdecken kann.«
    »Siehst du? Genau das ist mein Problem. Aber jetzt versuche ich zu schlafen.«
    Bis Marie einschlief, hörte sie, wie sich Kupfer in seinem Bett von einer Seite auf die andere wälzte. Sie hatte nicht den Eindruck, dass er zur Ruhe kam.
    Auch beim nächsten Verhör bot Judith Schwenk zunächst kein anderes Bild. Mit untadeliger Höflichkeit, aber immer so knapp wie möglich, beantwortete sie Kupfers Fragen. Ja, sie habe Theo Krumm mit Mordabsicht zu dieser Herbstwanderung überredet. Ja, das sei leicht gewesen, weil er sich erpressbar gemacht hatte. Ja, sie habe ihren Bruder – das Wort Halbbruder verwendete sie nie – zu dem Anschlag auf Andrea Lorenz’ Auto angestiftet. Das Verhör schien in dieselben Bahnen einzubiegen, in denen das vorhergehende abgelaufen war.
    »Feinäugle, übernimmst du bitte?«, fragte Kupfer deshalb seinen Kollegen, lehnte sich etwas zurück und blätterte in seinen Akten. Plötzlich schaute er auf und legte seine Hand auf den Arm seines Kollegen. Feinäugle nahm sich sofort zurück. Kupfer rückte seinen Stuhl zurecht und zeigte durch seine aufrechte Haltung, dass er im Begriff war, eine neue Strategie ins Spiel zu bringen.
    »Mir stellt sich eine ganz andere Frage, Frau Schwenk. Was suchten Sie eigentlich in Lipps Wohnung, wo sie doch bereits annehmen mussten, dass Krumm alle finanziellen Unterlagen an sich gebracht hatte? Nach unseren Erkenntnissen haben Sie die Wohnung sehr gründlich durchsucht. In jeder Ecke hat man die Abdrücke ihrer Schuhe gefunden. Hinter was waren Sie her? Sagen Sie es mir.«
    Judith Schwenk zuckte mit den Achseln, als wüsste sie es nicht mehr.
    »Sie wissen es nicht mehr? Das glaube ich Ihnen nicht. Frau Schwenk, Sie machen mir nicht nur Kopfzerbrechen, Sie bringen mich

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