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Schönbuchrauschen

Schönbuchrauschen

Titel: Schönbuchrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Weichold
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überquerte die schmale Straße, die aus dem Dorf heraufkam, und erreichte mit wenigen Schritten das niedrige Mäuerchen, das den Prälatengarten begrenzte. Sie kletterte hinüber und rannte dann quer über die freie Fläche hinunter, bis sie den befestigten Weg unter den Füßen hatte, der sie zu der kleinen Pforte am Rand der Straße führte. Auf dem Fußweg rechts der Straße ging sie auf die Kreuzung beim Waldhorn zu.
    Als sie das erste Haus passiert hatte, schaute sie nach rechts auf den Parkplatz hinüber, wo sie ihr Auto abgestellt hatte. Unter ihr lag tief eingeschnitten das dunkle Bachbett des Seebachs, dahinter der große Parkplatz, den die Laternen in ein warmes gelbes Licht tauchten. Der Parkplatz war fast leer. Außer ihrem Fahrzeug, das sie direkt an der Klostermauer abgestellt hatte, waren drei, vier weitere Autos da, die sich über die ganze Fläche verteilten, als wären ihre Besitzer die letzten, die noch da waren, während die große Menge schon längst abgefahren war. Mit aller Konzentration fixierte sie die Autos, konnte aber nicht erkennen, ob jemand darin saß. Der Schein der Laternen spiegelte sich in ihren Fenstern.
    Es war ihr nicht wohl in ihrer Haut. Am liebsten wäre sie zu Fuß bis nach Lustnau weitergegangen. Aber was hätte sie dort tun sollen? Außerdem fror sie ganz erbärmlich und musste nach Stuttgart zurück. Morgen früh startete ihr Flug nach Übersee.
    Langsam durch Bebenhausen fahrend, konzentrierte sich Schnaidt auf die am Straßenrand geparkten Fahrzeuge. Die meisten hatten Tübinger Kennzeichen. Nur auf dem Parkplatz des Landgasthofs Hirsch standen ein paar Autos, die aus anderen Kreisen stammten.
    Er beauftragte einen Polizisten, dort im Auto auf verdächtige Personen zu achten. Dann fuhr er auf den großen Parkplatz, der am Ortseingang an der Klostermauer lag. Er war wenig besetzt. Außer ein paar Tübinger Autos stand nur ein weißer Golf mit Stuttgarter Nummer dort, direkt an der Klostermauer. Schnaidt rief die Polizeidirektion in Tübingen an und ließ den Eigentümer des Fahrzeugs bestimmen. Binnen Minuten erhielt er die Antwort. Es gehörte einer Autovermietung und war vor zehn Tagen am Stuttgarter Flughafen von einer jungen Frau namens Claudia Kreuzberger gemietet worden.
    Sofort zog Schnaidt den Beamten vom Parkplatz am Hirsch ab und postierte ihn zwischen dem weißen Golf und der Ausfahrt des Parkplatzes, bereit zu schnellem Start. Dann forderte er in Tübingen Verstärkung an.
    Sein Kollege Merz und ein weiterer Beamter kamen zum Einsatz, jeder in seinem eigenen Fahrzeug, und bezogen Position. Merz stellte sein Auto als drittes Fahrzeug auf den Parkplatz selbst, der andere parkte auf der Straße in unmittelbarer Nähe der Parkplatzzufahrt. Als es sechs Uhr schlug, hatten alle Kräfte Position bezogen. Das Warten begann.
    Zwei Männer kamen, verabschiedeten sich voneinander und fuhren weg. Ein älteres Paar stieg in einen Mercedes und verließ die Szenerie. Ein junger Mann holte einen Polo weg, und dann rührte sich nichts mehr. Ohne den Verkehr auf der Straße nach Lustnau wäre es absolut still gewesen.
    Schnaidt hatte es schließlich satt, ständig auf die Einfahrt zum Parkplatz zu starren, die er im Streulicht der Parkplatzbeleuchtung nur schemenhaft erkennen konnte. Was er wahrnahm, beschränkte sich auf eine graue Lücke in der schwarzen Wand der Bäume, eine Art Tunnel, an dessen Ende er ein kleines Stück Querstraße sah. Das konnte er aber nur als solches erkennen, weil er wusste, dass dort die Straße aus dem Ort herausführte. Er spürte, wie seine Augen ermüdeten, traute sich aber nicht, sie auch nur einen Moment zu schließen. Angestrengt blinzelte er und schaute auf die Uhr. Es ging auf sieben zu. In einem musste er Kupfer jetzt schon Recht geben: Es war kalt. Von der Ankündigung, dass der Einsatz nicht lange dauern würde, war er allerdings noch nicht überzeugt. Er zog seinen Schal etwas fester und schlug den Mantelkragen hoch. Dann griff er nach seiner Thermosflasche, um sich einen Schluck zu gönnen. Unwillkürlich streifte sein Blick nach links über die erleuchteten Fenster des Waldhorns, die durch die kahlen Bäume herüberleuchteten. Da blieben seine Augen an einer zierlichen Gestalt hängen, die zwischen dem Waldhorn und dem letzten Haus des Orts auf dem beleuchteten Bürgersteig stand und zu ihm herübersah. Sie war keine fünfzig Meter von ihm entfernt. Bei ihm war es ebenso hell wie bei ihr. Zwischen ihnen lagen nur das Bett des

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