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Schönbuchrauschen

Schönbuchrauschen

Titel: Schönbuchrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Weichold
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handgreiflich nachgeholfen hat, weil sie möglichst schnell verschwinden wollte. Nach unserer Erfahrung passiert es immer wieder, dass ein Täter bei der Ausübung seines Verbrechens die Nerven verliert. Jedenfalls passt unsere Zeitvorstellung zur Aussage des Revierförsters. Er sagt, er sei ungefähr um vier einer jungen Frau begegnet, die wahrscheinlich auf dem Weg zum nächsten Wanderparkplatz war. Eine ungefähre Beschreibung dieser Person haben wir.«
    Dr. Seifert schob den schriftlichen Bericht Kommissar Schnaidt zu.
    »Gut. Das ist der toxikologische Befund, und mehr betrifft mich eigentlich nicht. Trotzdem interessiert mich noch die Frage, was in der kurzen Zeitspanne passiert ist zwischen dem Zeitpunkt, wo das Opfer spürte, dass es ihm übel wurde, und dem seiner absoluten Hilflosigkeit. Rein theoretisch hätte er sich hier noch für einen kurzen Zeitpunkt wehren können.«
    Schnaidt runzelte die Stirn und dachte laut nach.
    »Im umgekehrten Fall, wenn ein Mann eine Frau mit K.-o.-Tropfen wehrlos macht, geht er auf Abstand, beobachtet sein Opfer und wartet ab. Hier war es wohl umgekehrt. Der Waldarbeiter, der die beiden gesehen hat – das muss zwischen drei und halb vier gewesen sein – sagt, sie hätten Geschlechtsverkehr gehabt.«
    »Das ist in seinem Zustand nicht sehr wahrscheinlich. Und es gibt überhaupt keinen Hinweis darauf«, wandte Dr. Seifert ein.
    »Ich glaube es ja auch nicht. Ich meine vielmehr, dass er zu diesem Zeitpunkt schon mindestens ohnmächtig war und sie das vorgespielt hat, weil sie das Auto des Waldarbeiters kommen hörte. Sie wusste ja, dass man sie nur von der Schulter aufwärts sehen konnte. Und die andere Möglichkeit ist die, dass sie sich ihm näherte, solange er die Wirkung nicht spürte, ihn sexuell erregte und damit verwirrte, so dass er einfach nicht ganz so schnell eins und eins zusammengezählt hat, als ihm übel wurde.«
    »Möglicherweise. In jedem Fall hat er kaum Zeit gehabt, sich zu wehren.«
    »Was hätte er denn Ihrer Meinung nach überhaupt noch tun können?«
    »Das kann ich nicht sagen. Die Aussagen der Opfer solcher Übergriffe geben hier nichts her wegen der unausweichlichen Erinnerungslücken.«

4
    Die Identität des Toten stellte die Kriminalpolizei zunächst vor ein Rätsel. Wer immer ihn umgebracht hatte, hatte ganze Arbeit geleistet und ihm alles abgenommen, womit man ihn hätte identifizieren können. Es gab keinen Rucksack, keinen Geldbeutel, keine Papiere. Das Einzige, was über die Kleidung hinausging, war eine billige Armbanduhr, wie man sie zu Hunderten in jedem Kaufhaus erwerben konnte. Sein Markenanorak schien neueren Datums zu sein. Aber so teuer und elegant er auch war, fehlte ihm doch jedes individuelle Merkmal.
    »Alles Qualitätsware, aber eben aus dem Kaufhaus. Irgendwie sind wir heute doch alle uniformiert«, fasste Schnaidt seine Enttäuschung nach der Sichtung der Kleidung zusammen.
    Auch die erkennungsdienstliche Behandlung des Toten gab keinen Aufschluss. Seine Fingerabdrücke waren nirgends registriert, sein Foto nirgends archiviert.
    »Damit gehörte er sicher nicht zu unserer üblichen Kundschaft«, folgerte Schnaidt.
    »Oder er war neu in diesen Kreisen«, meinte Merz.
    »Was aber aufs Gleiche hinausläuft: Wir haben nichts über ihn«, fasste Schnaidt die Lage zusammen.
    »Also?«
    »Ich möchte jetzt nicht gleich ein Foto veröffentlichen lassen. Warten wir einmal ab, ob wir nicht eine Vermisstenanzeige hereinkriegen.«
    Damit hatte Schnaidt instinktiv aufs richtige Pferd gesetzt. Der Tote konnte schon bald identifiziert werden, ohne dass sein Foto in den Zeitungen zu sehen war. Als Theo Krumm nämlich nach seinem Tag Urlaub nicht pünktlich zur Spätschicht angetreten war, wunderten sich seine Kollegen in der DRK-Rettungswache in Stuttgart-Degerloch. Ohne Ankündigung nicht den Dienst anzutreten, das erlaubte sich absolut niemand. Und da Theo Krumm bei seinen Kollegen überdies den Ruf eines äußerst pflichtbewussten Mitarbeiters genoss, machte sich Frieder Egeler, mit dem er seine Einsätze fuhr, ernste Sorgen. Als seine Anrufe erfolglos blieben, rief er Theos Freundin Laura an, die im Böblinger Krankenhaus als Krankenschwester auf der Station Innere Medizin arbeitete.
    »Hast du heute frei?«
    »Ja, wieso?«
    »Ist Theo bei dir?«
    »Nein. Warum?«
    »Weil er heute nicht zum Dienst erschienen ist, aber krankgemeldet hat er sich auch nicht.«
    »Und da denkst du, er liegt mit mir pflichtvergessen im Lotterbett. Deine

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