Schönbuchrauschen
gar nicht mehr. Wissen Sie, wenn man sich einmal an so etwas Gutes gewöhnt hat, dann mag man nichts anderes mehr. Außerdem ist er sehr gesund. Und ein Spritzer Zitrone rundet den Geschmack schön ab.«
Beim letzten Satz griff sie nach einem neuen Taschentuch, hielt es sich gerade noch rechtzeitig vor die Nase, ehe sie heftig niesen musste. Dann wandte sie sich von Kupfer ab, schnäuzte sich und warf das Taschentuch hinter ihrem Sessel in einen Papierkorb.
»Entschuldigung. Ich wasche mir nur schnell die Hände.«
Sie verließ das Wohnzimmer. Kupfer wartete einen Moment, ehe er sein Stofftaschentuch aus der Hosentasche zog. Sie hatte die Badezimmertür offen gelassen. Kupfer konnte hören, wie das Wasser über ihre Hände lief. Er zögerte. So leicht konnte er seinen Ekel nicht überwinden. Aber dann, als sie den Wasserhahn zudrehte, hieß es »Jetzt oder nie!« für ihn. Er stand auf, machte drei schnelle Schritte zu dem Papierkorb hin, hielt den Atem an und fischte mit spitzen Fingern eines der gebrauchten Taschentücher heraus, die sich dort angesammelt hatten. Er wickelte es in sein Stofftaschentuch, ließ es in seiner Hosentasche verschwinden und setzte sich wieder. Sobald die junge Frau unter der Tür erschien, führte er in aller Ruhe seine Tasse zum Mund und tat so, als würde er einen Schluck trinken.
»Ich hoffe, ich bin jetzt wieder salonfähig«, sagte sie etwas verlegen.
»Schon gut, ich hätte ja nicht hereinkommen müssen, es war meine freie Entscheidung«, beruhigte er sie freundlich. Dann er nahm ein kleines Schlückchen und fragte unvermittelt: »Wohnen Sie ganz allein hier?«
Laura Hensler räusperte sich mehrmals.
»Im Moment noch, ja. Natürlich ist die Wohnung ein bisschen groß für eine Person.« Sie hüstelte zwischendurch. »Nein, es kommen noch zwei Kolleginnen dazu«, sagte sie sehr schnell. »Wir machen eine WG.«
Sie ließ einen Würfelzucker in ihre Tasse fallen und rührte um.
»Sie befinden sich hier in einer sehr schönen Lage. Es ist ganz ruhig hier. Da muss man schon Glück haben, wenn man so etwas Schönes finden will.«
»Ja, da war schon eine ganze Menge Glück dabei«, sagte sie und blickte zur Tür, als wollte sie weglaufen oder jemanden begrüßen.
Kupfer lehnte sich etwas zurück, als wollte er es sich gemütlich machen, und schlug seinen Plauderton an.
»Wissen Sie, mein Sohn ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er sucht schon lange nach so etwas. Aber irgendwie hat er immer Pech. Geben Sie mir mal einen Tipp, wie man an so eine schöne Wohnung herankommt.«
»Oh, das war ganz einfach. Ich habe auf eine Annonce in der Kreiszeitung reagiert und sie mir einfach geschnappt.« Ihre Antwort kam so schnell und spitz, dass sie übertrieben schnippisch klang. »Ich hoffe nur, dass meine Kolleginnen Wort halten und nächsten Monat tatsächlich einziehen. Ich kann mir nämlich die Miete eigentlich gar nicht leisten.«
Bei dem letzten Satz lachte sie wie ein Kind, das bei einem unerlaubten Griff in Mutters Süßigkeitenschublade erwischt worden ist, bis ihr Lachen in Husten überging.
»Tschuldigung«, sagte sie.
»Das kann ich gut verstehen, bei den Preisen, die man heute bezahlen muss«, sagte Kupfer langsam. Er verharrte in seiner zurückgelehnten Haltung, sah aber seine Gesprächspartnerin unverwandt an. Sie wich seinem Blick aus, ließ zwei weitere Würfelzucker in ihre Tasse fallen und rührte umständlich um.
»Schmecken Sie denn noch etwas von dem Teearoma?«, fragte Kupfer und deutete auf ihre Tasse.
»Wieso?«, fragte sie erschrocken.
»Mit drei Stückchen Zucker.«
»Ach so! Haha!« Ihr Lachen klang künstlich. »Ja, ja, natürlich, es ist nur so, ich trinke ihn gerne sehr süß. Sonst nehme ich kaum etwas Süßes zu mir, aber der Tee muss richtig süß sein.« Wieder griff sie nach einem Taschentuch und wischte sich die Nase.
»Da sind wir uns ja ähnlich«, stimmte Kupfer ihr zu. »Ich habe mir die Süßigkeiten glücklicherweise auch abgewöhnt, schon lange. Aber ich bin noch radikaler. Selbst im Tee mag ich keinen Zucker.«
Dabei schaute er wie zufällig auf den leeren Teller mit den Kuchen- und Schokoladenkrümeln. Laura Hensler legte mit zitternder Hand den Teelöffel auf die Untertasse. Es klapperte etwas.
»Sie können sich ja vorstellen, dass man als Krankenschwester nicht so viel verdient. Da muss ich mir die Miete unbedingt mit zwei Partnerinnen teilen.«
Kupfer lag die Frage nach dem Eigentümer der Wohnung auf der Zunge, stellte sie
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