Schönbuchrauschen
aber lieber nicht. Diese Information wollte er von verlässlicherer Quelle bekommen.
»Ja, sicher«, sagte er stattdessen. »Ich weiß, sie sind hoffnungslos unterbezahlt.«
»Sie sind aber wahrscheinlich wegen Theo gekommen«, wechselte Laura Hensler plötzlich das Thema.
»Ja, natürlich, Entschuldigung, ich wollte Ihnen zunächst mein Beileid aussprechen.«
»Danke. Obwohl … wir waren ja eigentlich nicht mehr richtig zusammen. Ich mochte ihn natürlich trotzdem noch. Aber so eng … ein so enges Verhältnis war das nicht mehr«, sagte sie ausweichend.
»Wie haben Sie von seinem Tod erfahren?«
»Seine Mutter rief mich an.«
»Das ist ein Fall mit sehr seltsamen Umständen«, holte Kupfer weit aus. »Da gibt es ein paar Punkte, die uns überhaupt nicht klar sind. Wir wissen von Herrn Krumms Umfeld fast nichts oder haben nur ungenaue Informationen, und das erschwert natürlich unsere Ermittlungen ungemein. Seine Mutter und seine Kollegen sagten uns, wir sollten uns an Sie wenden. Sie wüssten am besten Bescheid.«
»Ich weiß wirklich nicht, ob ich Ihnen viel helfen kann.« Vor lauter Heiserkeit brachte sie den Satz kaum heraus.
»Es reicht schon, wenn Sie mir ein paar Fragen beantworten. Seit wann kannten Sie Herrn Krumm?«
»Ich habe ihn in Tübingen kennengelernt« – sie schluckte mühsam – »damals war ich Schwesternschülerin.«
»Und Sie waren seither mit ihm zusammen?«
»Nicht immer« – mühsames Schlucken –, »das ging auf und ab und hin und her.« Sie räusperte sich. »Manchmal waren wir zusammen, dann haben wir uns wieder getrennt« – sie räusperte sich wieder. »Theo wusste ja nie, was er wollte.«
Sie machte eine Pause. Kupfer sah sie fragend an und wartete.
»Na ja, wie das halt so ist. Man will zusammenziehen, aber kann sich auf keine Wohnung einigen. Er wollte, dass ich bei ihm einziehe, aber ich fand es bei ihm nicht schön. Seine Wohnung war ja viel zu klein für zwei Personen, aber etwas Größeres, das wir hätten bezahlen können, haben wir nicht gefunden. Dann hat man sich verkracht, dann hat man sich wieder versöhnt. So ging das halt die ganze Zeit.«
Die ersten Sätze hatte sie nachdenklich langsam gesprochen, dann war sie immer schneller geworden. Nach dem letzten Wort atmete sie laut ein wie jemand, der schnell eine Treppe hochgelaufen ist, und hustete heftig.
»Und jetzt, in letzter Zeit?«
»Sendepause. Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich mit zwei Kolleginnen zusammenwohnen will« – sie wurde mit jedem Wort heiserer. »Das wollte ich schon, als Theo noch lebte. Mit ihm gab es keine Zukunft. Das konnte ich mir wenigstens nicht mehr vorstellen. Er war immer unzufrieden und redete manchmal sogar davon« – sie schluckte angestrengt–, »dass er noch einmal studieren wollte. Und wie sollte das denn gehen, wo er doch schon zweimal das Studium geschmissen hat? Mit mir geht das nicht, habe ich ihm gesagt.«
»Kannten Sie Ferdinand Lipp?«
»Ferdinand Lipp? Lipp?« Ihre Stimme wurde so leise, dass Kupfer Mühe hatte, sie zu verstehen. »Warten Sie mal. War das nicht ein Kommilitone von Theo, auch ein Mediziner. Ich glaube, ich erinnere mich an ihn.« Während sie sprach, nahm sie das letzte Taschentuch aus der Packung, presste es zwischen ihre Handflächen und zerknüllte es dann. »Was ist denn aus dem geworden?«
»Er hatte vor ein paar Wochen einen schweren Autounfall.«
»Ach! Schlimm?«
»Leider. Er ist tot.«
»Oh, das tut mir leid.«
Sie rührte in ihrer Tasse und schwieg.
»Was haben Sie denn gedacht, als Sie von Herrn Krumms Tod gehört haben?«, knüpfte Kupfer wieder an. Sie nahm einen großen Schluck aus ihrer Tasse.
»Schockiert war ich natürlich, absolut fertig. Das ist unfassbar, einfach absurd.«
Sie warf das zerknüllte Taschentuch in den Papierkorb und strich mit den Handflächen über den grünen Samt ihrer Hose, der sich über ihren Oberschenkeln spannte.
»Sie kannten ihn doch sehr gut, auch wenn Sie, wie Sie sagen, in letzter Zeit keinen Kontakt zu ihm hatten. Haben Sie irgendeine Ahnung, dass er sich in etwas Gefährliches eingelassen hatte?«
Sie sah vor sich nieder und schüttelte den Kopf. Ihre Augen wurden feucht. Sie sprach sehr leise.
»Theo war ein friedlicher Mensch. Er ging doch jedem Streit aus dem Weg. Ich kann mir absolut nicht vorstellen, dass er mit jemandem aneinandergeraten war.«
Sie schluckte wieder.
»Frau Hensler«, setzte Kupfer besonders eindringlich an, indem er sich vorbeugte. »Herr Krumm
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