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Schönbuchrauschen

Schönbuchrauschen

Titel: Schönbuchrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Weichold
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sagen. Vielen Dank für die Auskunft.«
    Obwohl erst Spätnachmittag war, sagte man Kupfer, er werde Frau Krumm im Speisesaal beim Abendbrot antreffen.
    »Gehen Sie nur hinein. Sie sitzt immer allein ganz hinten am letzten Tisch.«
    Dampf verschiedener Teesorten – Pfefferminztee, Kamillentee, Hagebuttentee, Malventee – und der Geruch von billigem Essen und ungewaschenen Haaren machten die Luft schwer. Überall saßen die Pfleglinge und kauten bedächtig vor sich hin. Fast jeder Tisch war voll belegt, und doch war es recht still im Speisesaal. Niemand redete. Ab und zu klapperte eine Tasse oder ein Teelöffel.
    »Guten Abend und guten Appetit«, grüßte Kupfer laut.
    Ein unverständliches Murmeln kam zurück, niemand wandte sich nach ihm um, nur ein paar der Greisinnen und Greise, die mit Blick zur Tür saßen, schauten kurz von ihrer Mahlzeit auf.
    Gerlinde Krumm hingegen saß aufrecht auf ihrem Stuhl und aß nicht. Ihr Blick verfolgte Kupfers Gang durch die Tischreihen, als wüsste sie, dass er zu ihr kam.
    Die Familienähnlichkeit war überdeutlich. Klarer Fall von Generationensprung, dachte Kupfer. Gerlinde Krumms Gesichtszüge glichen denen ihres Neffen, als hätte man das biometrische Foto des Toten mit Hilfe eines Bildbearbeitungsprogramms altern lassen. Dieselbe schmale Stirn, derselbe dreieckige Schnitt der Augen, die schmale gerade Nase und das spitze Kinn – dasselbe Gesicht, nur eben eingefallen und faltig. Dass ihr dünnes schlohweißes Haar vom Mittelscheitel bis fast auf die Schultern herabfiel, verstärkte diesen Eindruck, hatte ihr Großneffe sein Haar doch ähnlich getragen.
    Kerzengerade saß sie vor einer Tasse Kamillentee. Auf dem Abendbrotteller daneben lag ein mit Salami belegtes Stück Graubrot, noch unberührt. Sonst war der Teller leer. Kupfer trat langsam näher. Sie schaute ihm wach entgegen, als würde sie ihn kennen.
    »Guten Abend, Frau Krumm.«
    Ohne den Gruß zu erwidern, zog sie ihre Mundwinkel herunter und deutete mit einem spitzen Finger auf das Salamibrot.
    »Die meinen, das könnte man essen. Ich ess das nicht«, schimpfte sie mit erstaunlich kräftiger Stimme. »Das sag ich denen immer wieder, und immer wieder bringen sie mir dieses furchtbare Brot. Und die Wurst ist einfach ekelhaft. Das würde nicht einmal meine Katze fressen. Ich will Bauernbrot und hausgemachte Leberwurst. Das kriegt man doch überall, da braucht man doch bloß auf den Markt gehen. Aber ich sag es meinem Theo, wenn er wiederkommt.«
    Plötzlich schaute sie Kupfer mit aufgerissenen Augen an.
    »Aber du bist nicht der Theo?«, fragte sie etwas leiser.
    »Nein, der Theo bin ich nicht. Ich kenne ihn aber gut. Wir sind befreundet«, sagte Kupfer und setzte sich neben sie. Ihr Gesichtsausdruck wurde heiter und sie richtete sich auf.
    »Wenn der Theo kommt, dann backe ich wieder Pfannkuchen«, verkündete sie mit erhobenem Zeigefinger und fand zu ihrer vorigen Lautstärke zurück. »Sag ihm das. Er soll nur kommen. Dann kriegt er wieder Pfannkuchen, Pfannkuchen mit Zwetschgengsälz, sag ihm das, gell. Ich ess sie ja lieber mit Äpfelbrei, aber der Bub soll kriegen, was er am liebsten mag. Ich back die immer in Butter. Was anderes kommt mir nicht in die Pfanne. Und Zwetschgen hat es dieses Jahr wieder viel gegeben, jede Menge. Mindestens fünf Zentner. Ich hab fünfunddreißig Gläser eingemacht. Da kann der Theo oft kommen, so oft er will. Und dann kriegt er seine Pfannkuchen mit Zwetschgengsälz. Und einen Kaba.«
    »Ja, ich werd’s ihm ausrichten.«
    »Und nächste Woche, wenn es schön Wetter ist, dann muss er mir die Bäume schneiden, damit es wieder Zwetschgen gibt. Sagst du ihm das?«
    »Ja, mach ich. Wann war er denn das letzte Mal da?«
    »Heut Morgen. Da er hat mir den Kaffee gebracht. Der Theo, der guckt nach mir, das ist ein ganz lieber Bub. Aber die andern hier, ich sag dir« – jetzt fing sie an zu flüstern – »denen laufe ich morgen davon.«
    »Der Theo hilft Ihnen bestimmt, wenn Sie morgen woandershin wollen. Geld hat er jetzt ja. Das kann er sich was kosten lassen«, klopfte Kupfer auf den Busch.
    Sie schüttelte den Kopf und sah einen Moment schweigend vor sich hin.
    »Nein, der Theo hat kein Geld. Der hat nie eins gehabt«, sagte sie traurig. »Der bleibt doch arm, bis die Erika stirbt. Aber die stirbt nicht. Vorher sterben hier alle.« Sie beugte sich Kupfer zu. »Da, schau dich um. Die sind alle schon tot und bleiben hier. Aber ich hau morgen mit dem Theo ab.«
    »Und wo gehen Sie mit

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