Schönbuchrauschen
wurde im November mitten im Schönbuch von jemandem umgebracht, mit dem er höchstwahrscheinlich zu Fuß dort hingegangen war. Wieso geht er mit jemandem mitten in der Woche in den Wald? Haben Sie irgendeine Idee, was ihn dazu veranlasst haben könnte?«
Sie schüttelte den Kopf und zuckte mit den Achseln.
»Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass er gerne wandern ging, weil er sich dabei gut erholte. Das hat er immer gesagt. Aber eine Schönbuchwanderung im November mitten in der Woche, das verstehe ich auch nicht.«
»Gut, dann will ich Sie nicht länger aufhalten. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich bei mir melden würden, falls Ihnen noch etwas einfällt.«
»Selbstverständlich. Aber ich glaube kaum …« Sie sprach den Satz nicht zu Ende.
»Vielen Dank für Ihre Auskunft«, bedankte sich Kupfer.
»Keine Ursache, ich habe Ihnen ja gar nichts sagen können.«
»O doch! Wissen Sie, jedes kleinste Bisschen hilft«, sagte er und gab ihr lächelnd seine Karte. Er bat sie um ihre Handynummer, die er sofort in sein Adressbuch tippte. Dann verabschiedete er sich. Unter der Tür drehte er sich noch einmal um.
»Entschuldigung, Frau Hensler, bitte nehmen Sie es nicht persönlich. Ich kann Ihnen die Routinefrage nicht ersparen. Wissen Sie noch, wo Sie am Nachmittag des 10. Novembers waren?«
Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen.
»Hier war ich und habe geschlafen.« Wieder musste sie sich räuspern. »Ich hatte Nachtdienst gehabt und musste ausschlafen. Ja, so war das.«
»Sie haben ein gutes Gedächtnis. Bewundernswert! Gut, das war’s dann, und gute Besserung!«
Er fuhr nur bis zur Reußensteinstraße vor. Dort hielt er an, zückte sein zweites Handy, dessen Nummer nicht auf seiner Visitenkarte verzeichnet war, und rief bei Laura Hensler an. Es war belegt. Sie telefonierte.
Angewidert zog er sein feuchtes Beweisstück aus der Hosentasche und steckte es in eine kleine Plastiktüte, die er aus dem Handschuhfach nahm. Dann fuhr er auf dem nächsten Weg nach Hause, weil er das Gefühl hatte, dass er jetzt dringend einen Schnaps brauchte.
Am nächsten Morgen meldete er sich wieder bei dem Immobilienhändler, diesmal aber als Kriminalbeamter.
»Wir brauchen eine Information über eine Neubauwohnung im Lerchenweg. Die Bewohnerin heißt Laura Hensler, und wir sollten wissen, wer der Wohnungseigner ist.«
Eine junge Dame in dunkelblauem Kostüm mit Hosenrock, dick geschminkt, als würde sie hinter der Theke eines Nachtclubs stehen, war seine Gesprächspartnerin. Dass sie der Kriminalpolizei eine Auskunft geben musste, schien sie aufzuregen. Jedenfalls sah Kupfer aus ihrem Ausschnitt eine Röte aufsteigen, und als sie einen Ordner hektisch nach dem Kaufvertrag durchblätterte, erinnerte ihn das Zittern ihrer Hand an die Teestunde bei Laura Hensler.
»Ach, da ist er ja«, sagte sie schließlich. »Sehen Sie, die Wohnung gehört Frau Hensler. Sie hat sie Mitte Oktober gekauft. Hier ist eine Kopie des Grundbuchauszugs und des Teilungsvertrags.«
Ein Herr in Anzug und Krawatte kam hinter einer Trennwand hervor und streckte Kupfer seine Hand entgegen.
»Stumm«, stellte er sich vor, »ich bin der Geschäftsführer. Dass Frau Hensler die Wohnung so kurzentschlossen gekauft hat, kam uns sehr zupass. Sie war nämlich so gut wie verkauft gewesen, und dann bekam der potentielle Käufer seine Finanzierung nicht zusammen.«
»Und wie wird die Wohnung jetzt finanziert?«
»Absolut sicher. 60 Prozent wurden sofort bezahlt, runde 240 000 Euro. So viel legt kaum jemand sofort auf den Tisch. Und dann ist hier eine Hypothek von 160 000 Euro eingetragen.«
»Und woher kamen die 240 000 Euro?«
»Das habe ich allerdings nicht im Gedächtnis.« Er ließ sich von seiner Angestellten den Ordner reichen und schlug nach.
»Da haben wir’s ja«, sagte er selbstgefällig. »Von einer Frau Gerlinde Krumm aus Grafenau.«
»Würden Sie mir diese Unterlagen bitte kopieren?«
»Selbstverständlich, gerne.«
10
Am selben Abend noch rief Kupfer Erika Krumm an.
»Wer ist Gerlinde Krumm?«
»Die Tante meines verstorbenen Mannes«, sagte Erika Krumm.
»Also die Großtante Ihres Sohns?«
»Ja, seine Ersatzoma. Seine Großeltern hat er leider kaum erlebt.«
»Wie alt ist die Dame?«
»Dreiundneunzig.«
»Ein stolzes Alter. Und wo lebt sie?«
»Im Altersheim, schon seit über zehn Jahren.«
»Darf man wissen, in welchem?«
Sie nannte ihm die Adresse.
»Was wollen Sie denn von ihr?«
»Das darf ich Ihnen leider nicht
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