Schöne Khadija
sie jetzt danach fragten.
»Nun?«, fragte ich Sandy. »Willst du mit ihnen jetzt übers Geschäft reden?«
»Dazu muss ich mit Khadijas Eltern sprechen«, erklärte Sandy ungeduldig. Sie sah Abdi wieder an. »Könnt ihr sie das nächste Mal mitbringen?«
Abdi zögerte und sah Khadija an.
Sandy runzelte die Stirn. »Ihr habt ein paar Monate Zeit, sie zu überzeugen. Die Show ist erst im September. Aber denkt daran – es muss ein Geheimnis bleiben. Wenn ihr anderen Leuten davon erzählt, ist die Sache gestorben, verstanden?«
»Natürlich sagen wir nichts«, erwiderte Abdi beleidigt. »Wir wissen, wie man Geheimnisse bewahrt.«
»Gut«, nickte Sandy. »Denn das hier ist wichtig. Eigentlich …«
Plötzlich unterbrach sie sich und suchte nach etwas in einem Regal. Als sie zurückkam, hatte sie ein schwarzes Stoffbündel dabei. Ein Bündel, das mir bekannt vorkam.
»Nimm das mit«, sagte sie zu Khadija. »Und zieh es an, wenn du wieder herkommst. Hier, in meiner Nähe darf niemand dein Gesicht sehen. Niemand darf wissen, wer du bist.«
Wie sollte denn das funktionieren? Habt ihr mal gesehen, wie es bei einer Modenschau hinter der Bühne zugeht? Es wuselt von Menschen. Ankleidehilfen, Stylisten, Friseure, Make-up-Artists, Fotografen – alle möglichen Leute und noch mehr. Und mittendrin sind die Models und ziehen sich ohne Umstände an und aus. Das wusste Sandy besser als ich.
Wie konnte sie also sagen: Niemand darf je erfahren, wer du bist?
Abdi verstand das auch nicht. »Wenn niemand ihr Gesicht sehen darf, warum dann das alles?«, fragte er.
Aber Sandy wollte es nicht erklären. Sie lächelte nur und griff zum Telefon. »Carmel, wir brauchen ein Taxi. Nach Battle Hill.« Sie grinste Abdi an. »Keine Angst, ich zahle auch dafür.«
Sobald das Taxi kam, brachte sie die beiden hinunter und als sie fort waren, stürmte sie mit einem Stück Papier in der Hand wieder hinauf.
»Es wird wirklich wahr!«, rief sie aufgeregt. »Ich bin mir sicher, dass Khadija es tun wird! Habt ihr ihr Gesicht gesehen?«
Sie heftete den Zettel mit einer roten Stecknadel an die Stimmungstafel. Sogar vom anderen Ende des Zimmers konnte ich lesen, was sie mit ihrer starken schwarzen Schrift notiert hatte. Einen einzelnen Buchstaben – A – und seine Handynummer.
»Das wird gut«, behauptete sie. »Stefan …«
Sie ging zu ihm hinüber und hockte sich neben seinen Stuhl, während sie leise und schnell auf ihn einredete. In den ersten paar Sekunden sah ich wieder das Fragezeichen auf seinem Gesicht auftauchen. Doch dann glättete sich plötzlich seine Stirn und er nahm sich ein neues Blatt Papier. Beide begannen an verschiedenen Enden des Blattes zu zeichnen und sahen immer wieder auf die Entwürfe des anderen.
Ich stand eine Weile da und sah ihnen zu, aber keiner von beidennahm Notiz von mir. Also ging ich, um den Bus nach Hause zu nehmen.
Natürlich bekam Dad es zu spüren. Ich stampfte in der Küche auf und ab und schimpfte, während er mir Tee machte.
»Das ist wie bei einer Sekte in dieser Werkstatt! Sandy muss nur sagen Ihr habt die beiden nicht gesehen und schon löschen sie alle aus ihrem Gedächtnis. Ohne zu wissen, warum eigentlich.«
Dad schüttelte das Gemüse in der Pfanne und gab Soße darüber. »Sie war schon immer eine große Geheimniskrämerin. Die Leute erwarten eine Überraschung, wenn sie zu ihren Shows kommen.«
»Aber es geht doch um nichts Reales !« Ich pickte mir ein Stück rote Paprika heraus und biss wütend hinein. »Sieh dir doch nur diesen ganzen Somalia-Kram an. Da ist ein ganzes Land – eine ganze Kultur –, aber darum geht es ihr kein bisschen. Sie beutet es nur nach Ideen für ihre Entwürfe aus.«
»Nun, sie ist schließlich Designerin«, wandte Dad milde ein. »Wenn du eine Menschenrechtsvertreterin haben willst, musst du dir eine andere Mutter suchen.«
»Ich will keine andere Mutter! Ich will nur, dass sie nicht so – egozentrisch ist! Sie glaubt, die ganze Welt sei nur dafür da, dass sie sie ausbeutet!«
Dad schaufelte das Essen auf zwei Teller und stellte sie auf den Tisch. »Jetzt übertreib mal nicht. Sie beutet niemanden aus.«
»Doch, tut sie!«, behauptete ich und starrte ihn finster an. »Dich, zum Beispiel, beutet sie aus. Wenn sie an einer Kollektion arbeitet, erwartet sie, dass du alles stehen und liegen lässt und dich um mich kümmerst. Als hättest du selbst nichts zu tun. Als ob …«
»Stopp!«, verlangte Dad. »Aufhören!« Er legte mir die Hände
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