Schöne Khadija
auf die Schultern und schob mich zu einem Stuhl. »Jetzt iss und hör mir zu.«
Stirnrunzelnd nahm ich die Gabel in die Hand.
»Schon besser«, fand Dad und setzte sich mir gegenüber. »Du erinnerst dich nicht an meine Schwester Meg, oder?«
»Nein, nicht richtig«, antwortete ich. Sie starb, als ich vier Jahre alt war. Es gab ein paar alte Fotos, aber niemand sprach viel über sie. »Auf den Bildern sieht sie nett aus.«
»Sie war nicht nett «, erklärte Dad mit einem komischen kleinen Geräusch, halb Lachen und halb Knurren. »Sie war ungestüm, egoistisch und absolut selbstzerstörerisch. Sie hatte es mit Drogen und Alkohol und emotionaler Erpressung. Ganz und gar nicht wie Sandy, bis auf …«
Was auch immer die Ausnahme war, es schien immer noch an ihm zu nagen, auch nach all der Zeit. Er musste einen Moment warten und auch ich hielt mit der Gabel auf dem Weg zum Mund inne und fragte mich, was er sagen wollte.
»Meg hat uns allen das Leben schwer gemacht«, sagte er schließlich. »Aber sie war Sängerin. Und wenn sie sang – wenn sie live sang, auf der Bühne –, dann fiel der ganze Unsinn von ihr ab und man hörte etwas, das rein und wahr war. Aber das hatte seinen Preis und sie war nicht die Einzige, die ihn zahlen musste.«
»Und du glaubst, Sandy …«
»Sandy macht es uns beiden nicht leicht. Das will ich gerne zugeben. Aber sie lebt für das, was sie macht. Und wenn sie anders wäre, dann gäbe es nicht …« Er breitete die Hände aus.
»Gäbe es was nicht?« Ich war immer noch böse. »Noch sechs weitere Hosenentwürfe und neue Diagonalschnitte? Das reicht nicht, Dad. Und was kostet es sie ? Sie leidet nicht wie Meg. Sie war nicht in Somalia, um die Kinder ohne Beine zu sehen und die zu Ruinen zerschossenen Städte. Das sollte sie tun, wenn sie dabei sein will. Wenn sie die Schnittstelle zur Realität erfahren will.« Ich schob den Teller von mir und stand auf.
Dad sah mir nach, als ich zur Tür ging. Erst als ich halb draußen war, sagte er. »Weißt du, sie liebt dich wirklich.«
»Glaubst du?«, gab ich zurück, ohne mich umzusehen.
Dann stapfte ich in mein Zimmer und knallte die Tür zu. Der Laptop auf meinem Schreibtisch blinkte mich an und ich setzte mich undhämmerte eine E-Mail an Sandy in den Computer, um die Worte aus meinem Kopf auf den Bildschirm zu bekommen.
Du benutzt Leute nur. Dir geht es doch nicht um Abdi oder Khadija. Oder um Somalia. Du bist nur ein Parasit, der sich für einen billigen Modetick an den Qualen anderer festsaugt. Ich habe die ganzen Journalisten satt, die immer behaupten, du würdest solche Risiken eingehen. Warum gehst du nicht mal nach Somalia? Das wäre ein richtiges Risiko!
Ich schickte die Nachricht ab, ohne sie noch einmal gelesen zu haben. Wahrscheinlich las Sandy sie sowieso nicht. Nicht, wenn sie Entwürfe
zeichnete. Und wenn Carmel das nächste Mal ihren Posteingang durchsah, würde sie sie einfach löschen, ohne sie Sandy auch nur zu zeigen.
E s war nicht leicht für Mahmoud, eine E-Mail loszuschicken. Am anderen Ende des Lagers hatte es jemand geschafft, eine Internetverbindung aufzubauen, aber natürlich musste man dafür zahlen. Und sie hatten kein Geld mehr und nichts mehr, das sie verkaufen konnten.
Seine Mutter tat, was sie konnte. Immer wenn sie ihre Lebensmittelration zugeteilt bekamen, hob sie von ihrem eigenen Anteil etwas auf und machte Pfannkuchen, die sie an diejenigen verkaufte, die mehr Geld hatten als sie. Es gab nicht viele solcher Leute, und auch die konnten sich nicht leisten, viel zu kaufen, aber so konnte sie jede Woche ein wenig mehr zurücklegen.
Bis der Kampf ihre Hütte traf.
Es war ein dummer Kampf – nur ein halbes Dutzend frustrierter junger Männer, die aufeinander losgingen –, aber es reichte, um das Haus zu zerstören, das Mahmouds Familie aufgebaut hatte. Die Stützen wurden aus dem Boden gerissen, kräftige Füße zertraten den Mehlsack und stampften das Essen in den Boden.
Zainab und Sagal schrien und kreischten und Mahmoud und seine Mutter stürzten dazwischen und versuchten, ihr Essen und das kostbare Wasser zu retten. Mahmoud bekam einen Tritt ins Gesicht, der eigentlich für jemand anderen bestimmt war, und seine Mutter wurde seitwärts gegen einen Stein geschleudert, sodass sie sich einen Finger brach.
Ein paar Minuten später wurde der Kampf beendet, aber bis dahin war das meiste von ihrem Mehl auf dem Boden verteilt und eine der Wasserflaschen war gesprungen und leckte. Sie würden all
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