Schöne Khadija
fertig war, sprang sie von ihrem Felsen, sprach leise und hektisch auf ihn ein und winkte die Leute von rechts und links heran. Bis zum Einbruch der Dunkelheit hatte sie einen detaillierten Plan ausgearbeitet, wie die Show aufgebaut werden sollte.
»Wir fangen morgen ganz früh an«, erklärte sie. Dann zogen wir uns zum Schlafen in verschiedene Häuser zurück.
An die Show selbst hatte ich noch gar nicht gedacht. Warum auch? Schließlich sollten dabei nur ein paar Models in komischen, teuren Kleidern auf und ab gehen. Was musste man abgesehen von dem Computerkram da schon arrangieren?
Aber sobald am nächsten Morgen die Sonne aufging, sollte sich zeigen, wie falsch ich mit dieser Annahme lag.
Es war wie die Inszenierung eines großen Theaterstückes. Na gut, es sollte nur zwanzig Minuten dauern, aber Sandy wollte einen richtigen Laufsteg aus Holz. Sie bestand darauf, dass das Make-up so lange geübt wurde, bis es perfekt war, und alles musste rechtzeitig fertig werden, damit noch eine Probe abgehalten werden konnte.
»Das Timing ist von äußerster Wichtigkeit«, wiederholte sie ständig. »Die Menschen in London werden nur eine Leinwand sehen. Wenn die Show zu lang ist oder zu schleppend verläuft, laufen sie weg, ohne das Ende abzuwarten.«
In ein paar Minuten hatte sie die Leute in alle Richtungen verteilt. Amina musste für die Zimmerleute dolmetschen, die den Laufsteg bauten, und Suliman richtete mit ein paar Computertechnikern aus Eyl den Weblink ein. Ich wollte mit ihm gehen, doch Sandy hielt mich zurück.
»Zoë braucht einen Dolmetscher«, sagte sie. »Und du bist der einzige, der noch übrig ist.«
Mein Gesicht musste meine Gefühle verraten haben. »Kann Khadija nicht …?«
»Qarsoon!«, korrigierte mich Sandy scharf. »Und nein, sie kannnicht. Sie ist der Schlüssel zu der ganzen Sache und ich will nicht, dass sie abgelenkt wird.«
Wenn Sie nur wüssten, was sie wirklich ablenkt , dachte ich, wagte es aber nicht, ein Wort über Mahmoud zu verlieren, sondern schlenderte nur zu dem Tisch hinüber, wo Zoë ihre Sachen aufbaute.
Sie winkte mir zu, als sie mich kommen sah. »Hallo, Brummbär. Du siehst nicht gerade begeistert aus, mir zu helfen. Weißt du nicht, dass das eine große Kunst ist? Du solltest es selbst einmal versuchen.«
Die Frauen verstanden nicht, was sie sagte, aber sie verstanden meinen Gesichtsausdruck. Noch bevor ich ein Wort gesagt hatte, lachten sie mich alle aus.
»Möchtest du dein Gesicht anmalen lassen?«
»Komm her, ich mache dich schön!«
Ich hätte ihnen gerne eine lustige, coole Antwort gegeben, so wie ich es bei den Mädchen zu Hause in der Schule tat. Aber sie sprachen zu schnell und ich verstand nur die Hälfte von dem, was sie sagten. So konnte ich nur ebenfalls lachen und so tun, als mache es mir nichts aus.
Zoë schlug auf den Tisch, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. »O. K ., Leute, fangen wir an. Beim Look für diese Show geht es vor allem um die Augen .« Sie sah mich an, um sich zu vergewissern, dass ich das verstanden hatte. »Es wird bei jedem Mädchen das Gleiche sein, daher werde ich es euch an Emily zeigen, danach könnt ihr es versuchen. Alles klar?«
Ich übersetzte so gut wie möglich und versuchte, es zu ignorieren, wenn die Frauen über einen Fehler von mir lächelten. Dann trat ich zurück.
Zoë schüttelte den Kopf. »Du bist noch nicht fertig. Ich werde mit ihnen reden, während ich es ihnen zeige.«
Es war ein Albtraum. Sie begann damit, dass sie ihnen alles auf dem Tisch erklärte. Woher sollte ich denn die somalischen Worte für Eyeliner oder falsche Wimpern kennen? Ich musste mir Namen ausdenken – und sie dann auch behalten. Und je mehr ich mich verhedderte, desto mehr lachten mich die Frauen aus.
Dann begann Zoë zu demonstrieren, was sie von ihnen wollte. Es war absolut irreal. Emily sah unglaublich aus, als das Make-up fertig war, aber vor einer Frau mit königsblauen Wimpern und goldenen Dreiecken über den Augen wäre ich meilenweit davongelaufen.
Danach wurde es mit dem Übersetzen noch hektischer. Beim Üben an den Models hatten die Frauen Unmengen von Fragen. Ich lief zwischen ihnen auf und ab, um mir anzusehen, was sie taten, damit ich verstand, was sie sagten.
Nach etwa einer Stunde kam Sandy, um zu sehen, wie es lief. Sie stand gerade direkt neben mir und prüfte die Augenbrauenfarbe eines Mädchens, als diese plötzlich die Stirn runzelte und an mir vorbeisah.
»Wer ist das?«, fragte sie nervös.
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