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Schöne Lügen: Roman (German Edition)

Schöne Lügen: Roman (German Edition)

Titel: Schöne Lügen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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geringschätzigen Blicke recht gut. Normalerweise bedachte sie diejenigen Menschen damit, die sich einen dummen Fehler geleistet hatten. »Ich würde gern duschen.«
    »Vergessen Sie es.«
    »Ich muß aber zur Toilette!« rief sie.
    »Das werde ich Ihnen erlauben.«
    »Wie entgegenkommend.« Sie schob sich an ihm vorbei, nahm ihre beiden Koffer und marschierte aus dem Zimmer. »Zeigen Sie mir den Weg, Herr Aufpasser«, zog sie ihn auf.
    Seine goldenen Brauen über dem Dolchblick zogen sich zusammen, doch sagte er nichts, als er ihr den Weg durch den nur schwach erleuchteten Flur zu einem winzigen Badezimmer unter der Treppe zeigte.
    »Sie können sich ruhig etwas Bequemeres anziehen«, meinte er. Er stand direkt neben ihr, und es war beinahe völlig dunkel. Jetzt, wo sie ihre hochhackigen Schuhe ausgezogen hatte, überragte er sie beträchtlich, und Erins Knie wurden schlabbrig wie Wackelpudding. Vor Erschöpfung zitterte sie. Sie versuchte ihre Unsicherheit zu überspielen: »Das würde Ihnen wohl gefallen.« Eigentlich hatten ihre Worte wie ein Vorwurf klingen sollen, doch zu ihrem Entsetzen klangen sie wie ein Vorschlag.
    Er trat noch einen Schritt näher, und Erin fühlte seinen warmen Atem auf ihrem Gesicht. Immer näher kam er, bis sie zwischen ihm und der Wand gefangen war. Sein Körper war so angespannt wie der ihre, es war, als bedränge sie eine Art Statue.
    Doch diese Statue war lebendig.
    Und das Material, aus dem die Statue bestand, war nicht starr, sondern schmiegsam, und jetzt schmiegte er sich auch an sie. Er paßte sich ihrem Körper an, bis der Eindruck entstand, diese beiden Körper seien füreinander geschaffen.
    Aus den Augenwinkeln sah Erin, daß er den Arm hob, und sie glaubte, er wolle sie umarmen. Doch seine ausgestreckte Hand drückte auf den Lichtschalter im Bad hinter ihr.
    Die plötzliche Helligkeit bereitete dem Zauber, der wie eine Ewigkeit gedauert hatte, ein jähes Ende. Sie wandte sich schnell ab und schob ihre beiden Koffer ins Bad.
    »Machen Sie nicht zu lange, sonst komme ich rein und hole Sie.«
    »Wollen Sie etwa hierbleiben?« fragte sie voller Entsetzen und lehnte sich an den Türrahmen.
    »Hmm-hmm.« Er schüttelte den Kopf.
    Wütend preßte Erin die Lippen zusammen, dann knallte sie ihm die Tür vor der Nase zu, um nicht länger in sein spöttisches Gesicht sehen zu müssen.
    Sie stellte die beiden Koffer auf den Boden und stützte sich dann mit steifen Armen auf das Waschbecken. Tief atmete sie ein und schloß die Augen, um den Anblick seines Gesichts zu vertreiben. Doch es schob sich vor ihr inneres Auge, und sie zitterte noch immer, selbst als sie das Wasser angestellt hatte.
    Er ist ein Gewalttäter. Unverschämt. Gefühllos. Und dennoch benahm sie sich wie eine Idiotin, war völlig durcheinander nach einer flüchtigen Berührung. Sie hatte sich wirklich gewünscht, er würde sie noch einmal küssen. Du lieber Himmel!
    Dennoch fragte sie sich, wie sich seine Lippen wohl anfühlten, wenn er Zärtlichkeit walten ließe. Der Kuß von heute war nur ein Test gewesen. Er hatte wissen wollen, wie weit sie die Geschichte mit ihrem Bruder wohl treiben würde. Dieser Kuß war wild und hart gewesen. Doch den Bruchteil einer Sekunde, als seine Zunge sich in ihren Mund geschoben, ein wenig gezögert und dann ihre Zungenspitze zart berührt hatte, hatte sie da nicht den Hauch einer weicheren Regung verspürt?
    Nein! sagte sie sich und putzte ihre Zähne, so fest sie nur konnte, um auch noch den letzten Rest Geschmack seines Kusses aus ihrem Mund zu vertreiben.
    Sie cremte ihr Gesicht ein und bürstete ihr Haar. Es war gar nicht so einfach, den großen Koffer in dem kleinen Raum zu öffnen, doch es gelang, ihn einen Spalt zu öffnen, dann schob sie die Hand hinein und suchte.
    Sie ertastete eine Jeans und ein T-Shirt und zog beides heraus. Es war keine ihrer Designer-Jeans, die normalerweise fest und ein wenig hart waren. Es war eine alte Hose, abgetragen und verblichen. Mit einiger Mühe zog sie ihr zerknittertes Ensemble aus und schlüpfte in die frischen Sachen.
    Sie überlegte einen Augenblick lang ernsthaft, ob sie ihren Büstenhalter ausziehen sollte. Sie haßte es, die ganze Nacht darin zu schlafen, deshalb öffnete sie ihn schnell, noch ehe sie ihre Meinung ändern konnte, und reckte sich dann erleichtert.
Selbst wenn sie seit ihrem letzten Geburtstag die Grenze der Zwanziger hinter sich gelassen hatte, eine Tatsache, die ihrem Selbstwertgefühl nicht unbedingt Auftrieb gab, so

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